Stimmiger Auftritt in Schwanden

Auf Einladung der von Paul Aebli mit unglaublicher Kreativität präsidierten Gemeindestube Schwanden – seit Jahren zum anerkannten Kulturbegriff gewachsen – gastierten Pippo Pollina und seine «Palermo Acoustic»-Musiker vor einem begeisterten Publikum im Gemeindezentrum Schwanden.



Stimmiger Auftritt in Schwanden

Pippo Pollina ist kein Liedermacher und Sänger, der grosse Lichtshows, gewaltige Verstärkungsanlagen, adrette Background-Bewegungsgruppen und eine riesige Choreografie benötigt, um sich publikumswirksam in Szene zu setzen. Das spürt man bald. Er erläutert Liedtexte grösstenteils, verpackt seine Gefühle, Erfahrungen, Hoffnungen und Träume in ehrliche Worte, die ankommen. Man glaubt ihm, wenn er von seiner Heimatstadt Palermo, der bedrohlichen Macht der Cosa Nostra und deren Einschüchterungen, Auftritten vor gewaltigen Zuschauerkulissen – beispielsweise in der Arena von Verona – seiner unstillbaren Sehnsucht nach dem Meer, dem Werdegang zum Erhalt des schweizerischen Bürgerrechts, Abstimmungserfahrungen in unnachahmlich lebhafter Art erzählt. Man spürt die hohe Bandbreite an Gefühlen, die Kraft des Ausdrucks, die musikalische Kraft und die immense Professionalität, die nicht nur in ihm, sondern auch in den begleitenden Musikern, allesamt Profis mit spürbarer Freude am Ausgestalten, stets präsent sind. Pollina gilt als einer der besten und bedeutendsten zeitgenössischen Liedermacher Italiens. Unter anderem ist er Preisträger des Schweizerischen Kleinkunstpreises 2012.

Eine Fülle an Instrumenten


Beim Betreten des Gemeindezentrums wurde man von der Fülle aller Instrumente und Mikros fast erdrückt. Man fragte sich, ob man bald einmal von einer phonstarken Musikwalze überrollt werde, das Vibrieren der Bässe wohl von Kopf bis in die Zehen zu spüren bekomme. Derartiges war gar fehl am Platze. Pippo Pollina (Gesang, Gitarre, Piano) und geistreicher Ansager mit riesigem Erfahrungsschatz, Roberto Petroli (Klarinette, Saxofon), Max Kämmerling (Gitarren), Luca Lo Bianco (Bass, Kontrabass) und Fabrizio Giambanco (Perkussion) vermögen unter dem umsichtigen Lead von Pollina enorm sensibel, dann auch mit unerhörter Wucht und vielen Zwischentönen mitreissend zu gestalten; zuweilen unglaublich einfühlend und feinsinnig, dann wieder mit kraftvoller Lust, der mitreissenden Freude an gar verschiedenen Botschaften, die in Italienisch, Englisch und Deutsch rüberkamen.

Pollina versteht es, die Leute zu begeistern. Mit kleinen Gags, mit seiner unüberhörbaren Ehrlichkeit, seinem poetischen Fabulieren über Liebe, Natur, viele Schönheiten aller Provenienzen. Sein hohes Können und die Vielgestaltigkeit widerspiegeln sich vor allem in italienischen Liedern. In deutscher Sprache holpert es zuweilen, die schmelzende und herzliche Eleganz kommt da weniger zum Tragen.

Pollina merkt mit berechtigtem Stolz an, dass einzelne Lieder seit 20 Jahren zum festen, von überaus zahlreichen Fans liebend gern gehörten Repertoire gehören. Beispielsweise jenes über einen sizilianischen Journalisten, der sich mit dem Tun der Cosa Nostra befasste und sein Recherchieren und Kommentieren mit dem Tod büssen musste. Pollina schwärmt über seine neue Heimat Schweiz, er liebt Berge, Landschaften, Musik und Musiker, soziale Errungenschaften und Sicherheit.

Pollina vermissst das Meer


Nur ein Ding vermisst er gewaltig – das Meer, genauer das Mittelmeer. Es fehlt ihm zuweilen an allen Ecken und Enden. In Liedern drückt er diese Vielfalt gar beseelt, wortstark und in virtuoser Weise aus. Er philosophiert in besinnlich wirkender Art über Vergangenheit, dahinfliessende Zeit, fordert mit Recht zum nie erlahmenden Rückbesinnen, zum Verharren, zum Bewahren des Wertvollen auf. Er vermag wortreich, mit beinahe überschäumender Freude zu schwärmen, Liebe, Natur, Freundschaft, Gesellschaft ins Zentrum zu rücken – wohl nicht bloss für kurze Bühnen-Zeiten. Er redet über Stilrichtungen, Begegnungen, Erfolg, seine Inspirationen beim Anhören der Musik aus den Siebzigerjahren. Er entpuppt sich als zuweilen rastlos Suchender, der eigene Lieder ins Licht des Erfolges, der Nachhaltigkeit führt. Sein Schaffen habe mit Begegnungen lateinamerikanischer Musiker begonnen. Das habe er einst übernommen und sei mit andern als Vorgruppe aufgetreten und aufs Übelste mit Obst und anderem beworfen worden. Nach drei Liedern habe man aufgehört, auch um nicht noch weiteres Obst auf der Bühne zu sammeln.

Es kam eine ungemein poetische, verspielte, gefühlvolle, äusserst attraktive Vielfalt auf, hochprofessionell gespielt, die Nähe zum Publikum nie verlierend. Die begleitenden Musiker agierten mit hoher Präzision, hingebungsvoll und viel Kraft.

Vieles war enorm bewegend, inhaltlich schön, nachklingend herzlich. Und wie nach allen Begegnungen nahte irgendwann der Abschied. Mit variantenreichen, launigen Zugaben wurde nicht gegeizt. Das Publikum war begeistert, begab sich wohl ungern in die regnerische ungastliche Nacht hinaus – wissend, dass im August des kommenden Jahres im Hallenstadion Zürich ein einzigartiges Pollina-Festival stattfinden wird.