«Trennt Euch» – Thomas Meyer las im Wortreich Glarus

Eine nicht eben leichte literarische Kost bekam man unlängst in der Buchhandlung Wortreich serviert. Thomas Meyer las aus seinem neuen Buch «Trennt Euch». Eine Diskussion musste sich zwischen dem Publikum, dem moderierenden Urs Steiner und dem zuweilen provokativ ausformulierenden Autoren ergeben.



Thomas Meyer (rechts) im Gespräch mit Moderator Urs Steiner. (Bilder: pmeier) Christa Pellicciotta
Thomas Meyer (rechts) im Gespräch mit Moderator Urs Steiner. (Bilder: pmeier) Christa Pellicciotta

Thomas Meyers Essay wirft Fragen auf. Wie sind seine Aufforderungen und Kommentare zu gewichten? Weshalb sieht er sich veranlasst in zuweilen derart kompromissloser Form an die Leserschaft zu gelangen? Woher nimmt er die Fähigkeit und Kompetenz auf diese Weise zu werten, wenn es ums Zusammensein, ums Finden von Kompromissen, Ausdiskutieren von verständlich belastenden zwischenmenschlichen Ehe- und Partnerschaftsproblemen mit dem Ziel einer hoffentlich einvernehmlichen Lösung geht? Überheblichkeit, Leichtfertigkeit oder saloppes Angehen eines belastenden Zustandes verneinte der Autor in der sinnbringenden Diskussion vehement. Man glaubte ihm.

Thomas Meyer ist ein zielstrebiger Verfechter des Beschreitens getrennter Wege, des Auseinandergehens und Getrenntseins, wenn es nicht mehr anders geht. Er weiss aber auch um Trauer, Hilflosigkeit, Leere, Unversöhnlichkeit.

Unter «Essay» ist übrigens – nach Konsultation von Wikipedia – eine «geistreiche Abhandlung» zu verstehen, «in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden». Und weiterführend ist zu lesen: «Die essayistische Methode ist eine experimentelle Art, sich dem Gegenstand der Überlegungen zu nähern und ihn aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten» und «Essays sind Denkversuche, Deutungen – unbefangen, oft zufällig scheinend».

Meyer schreibt in kluger, gewandter Art, geschickt kombinierend, dies samt klarer Schlusserkenntnis, wonach in vielen Fällen nur Getrenntsein ehrliche Lösung, wahres Glück, und erfüllende Wirklichkeit bescheren. Das wiederum macht jene zumindest leicht ratlos, die in Gegenteiligem leben, in Strukturen, die ganz und gar nicht dem Meyerschen «Weltbild» entsprechen.

Thomas Meyer, 1974 in Zürich geboren und in Wädenswil aufgewachsen, studierte einst Rechtswissenschaft, arbeitet ab 1997 als Texter, Reporter und Kolumnist, machte sich 2006 selbstständig. Sein stark beachteter Debütroman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» erschien im Frühjahr 2012. Vier Jahre später folgte der historische Roman «Rechnung über meine Dukaten» als zweites Buch.

In der Kulturbuchhandlung ging es echt wortreich zu und her. Christa Pellicciotta führte mit viel Herzlichkeit in Kommendes ein, zeigte die kulturelle Vielfalt nachhaltig auf, munterte zum Besuch in liebenswürdiger Weise ein.

Mit einem der neun Stadien auf dem Weg zum heutigen Schaffen zeigte Meyer auf, wie alles begann. Einst faszinierten Buchstaben, die zu fügen sind, zu Wertendem werden.

Er redete freimütig und mit grosser Offenheit über Belastendes in seinen Jugendjahren, über Spannungen zwischen seinen Eltern, laute, verletzende Wortwechsel. Er äusserte sich zu Kontakten mit einer Mitschülerin, einem Scheidungskind. Er habe seinen Eltern einst die Scheidung nahegelegt. Er litt, durchlebte für ihn Unverständliches, fühlte sich mit seinem Äussern und Kommentieren fehl am Platze. Dem Wissen, dass in jeder Beziehung Liebe allein nicht genügt, folgten weitere ihn prägende Erfahrungen, die schliesslich zusammengefasst und niedergeschrieben wurden. Prägnant, scharfsinnig, ehrlich liest sich vieles an. Im Verlaufe der Lesung wurde verständlich, weshalb der Autor kein Freund irgendwelcher Kompromisse ist, die nur der Erhaltung einer scheinbar heilen Welt dienlich sind. Das hört sich – auf die Überschriften der Kapitel in «Trennt Euch» bezogen – beispielsweise so an: «Liebe ist kein Grund, mit jemandem zusammen zu sein», «Die Furcht vor der eigenen Grösse», «Der heile Kern schont Sie nicht», «Der Wille wartet nicht auf Besserung», aus der handelnden oder erduldenden Position heraus eine «Beziehung beenden», «Eine Trennung ist ein Kompliment», «Ein Gespräch, das viel länger geriete, würde darin nicht der Wille dominieren».

Meyer ist sich sicher, dass nicht zueinander passende Paare in der Mehrheit sind. Er lotete die Inhalte von Liebe, Humor, Intelligenz und Spiritualität aus. Das Zuhören war fordernd. Es wurde die Frage gestellt, ob das Buch gegen die Liebe gerichtet oder einer Beziehung diene. ArtikelMeyer vertritt die persönlich gewonnene Erkenntnis, dass eine Beziehung beendet werden muss, wenn sie nicht funktioniert. Ob das dann der ultimative Befreiungsschlag ist, blieb eine unbeantwortete Frage. Meyer meint, dass die Gegner von fehlerhaften Beziehungen fürs Zusammensein plädieren. Er sprach von Verstand, Angst und Hoffnung, von drei sich vereinenden Positionen, in der Suche nach Trennendem. Er betonte, dass er sich gut gerüstet und ausgerüstet wisse, um seine Erwartungen, Erkenntnisse und Erfahrungen umzusetzen.

Urs Steiner hinterfragte den Wert in der Arbeit von Paarbeziehungen. Er kam auf Ehetherapeuten zu reden, die oft den Begriff der unverhofften Partnerschaft äussern, analysieren. Beziehungen müssen wandelbar sein. Aus Gesprächen kann Wandelbares durchaus resultieren. Meyer zeigte auf, dass er nicht einfach provoziere, sondern den Dialog der Wahrheitsfindung anstossen wolle. Zuweilen habe er eine Beziehung gelebt, um dem Gegenüber helfen zu können. Beziehungen sind Entwicklungsfelder, bergen Verletzendes, die Opfer – Täter – Kultur, haben die Spannung, aus Traurigem Gutes werden zu lassen.

Es hätte noch lange mit Rede, Gegenrede, verständnisvollem Begegnen, tolerantem Argumentieren und kritischem Hinterfragen weitergehen können. Meyer outete sich gar versöhnlich: Ich bin jemand, der es echt gerne nett hat!

Das Begegnen im Wortreich Glarus hat Unerwartetes, Sinnbringendes beschert, hat zu Klärung und Erklärung geführt.