Welchen Sinn macht die Entwicklungshilfe?

Um den Sinn oder Unsinn der Entwicklungshilfe stritten sich die Experten am Podiumsgespräch in der Reformierten Kirche Niederurnen am Mittwochabend. Im Zentrum stand die Petition „0,7% - Gemeinsam gegen Armut“, die Ende Mai dem Bundesrat und Parlament überreicht werden soll.



vlnr zu sehen: Matthias Benz
vlnr zu sehen: Matthias Benz

Über 120'000 Personen haben die Petition „0,7% - Gemeinsam gegen Armut“ schon unterschrieben. Sie verlangt, dass die Schweiz 0,7% ihres Bruttoinlandprodukts für Entwicklungszusammenarbeit verwendet. So viel braucht es, um die Milleniumsziele der Uno zu erreichen, die vorsehen, bis 2015 die schlimmste Armut und den Hunger zu halbieren, den Zugang zu Wasser, Bildung und Gesundheit massiv zu verbessern sowie die Stellung der Frauen zu stärken. In ihrem Eröffnungsvotum wies die Pfarrerin Claire Meier, die im Auftrag der Evangelisch-Reformierten Landeskirche und des Katholischen Dekanats Glarus die Diskussion leitete, auf die Petition und die grosse kirchliche Unterstützung dafür.

Ueli Knoepfel, Podiumsteilnehmer und Pfarrer im Kirchenkreis Mollis-Näfels-Kerenzen, gehört nicht zu den kirchlichen Befürworter. Erbezeichnete Milleniumsziele als illusorisch. „Die Uno setzt sich immer wieder Ziele und erreicht sie nicht.“ Das Vorhaben basiere auf Inputsdenken: Je mehr man hineinpumpt, umso mehr Entwicklung herauskommt. Dies sei nicht so. Es müsse in den Entwicklungsländern eine Selbstentwicklung stattfinden, die mit wirtschaftlichen und politischen Reformen verbunden ist.

Gerade durch Entwicklungshilfe könne man einen gewissen Druck auf Regierungen ausüben, damit sie mit den nötigen Reformen beginnen, argumentierte Peter Niggli von Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke. Er begründete die Notwendigkeit der Entwicklungshilfe auch mit den schlechten Ausgangsbedingungen in Afrika und Lateinamerika am Ende der Kolonialzeit und die Instabilität in vielen dieser Länder.

Der dritte Podiumsteilnehmer, Dr. Mattias Benz, Mitglied der NZZ-Wirtschaftsredaktion, sieht in Direktinvestitionen der Schweizer Wirtschaft, die Arbeitsplätze schaffen, die beste Form der Entwicklungshilfe. Diese Beiträge würden vergessen, wenn man die Gelder berechnet, die in Entwicklungshilfe fliessen. Auch Peter Niggli begrüsst solche Investitionen aber warnt gleichzeitig: „Schweizer Unternehmer sind nicht immer in allen Ländern gleich risikofreudig.“ Ohne staatliche Entwicklungshilfe hätten bestimmte Länder keine Chance, sich zu entwickeln.

„Wir bringen seit 50 Jahren die Entwicklung in die Länder des Südens und es hat keine oder wenige Resultate gebracht“, kritisierte Dr. Benz. Man habe in dieser Zeit auch einiges dazu gelernt, konterte P. Niggli. Es sei kein Bringen mehr, sondern eine Zusammenarbeit, die die lokale Situation berücksichtig. Niggli machte auch darauf aufmerksam, dass nur ein Viertel der Gelder, die weltweit als Entwicklungshilfe bezeichnet werden, in Wirklichkeit das sind. „Dreiviertel des Geldes wird zur Förderung der eigenen Machtposition verwendet.“ Dies sei mit ein Grund, warum die Resultate so klein sind. Niggli zur Klärung: „Die Schweiz betreibt mit Entwicklungshilfe keine politischen Machtziele wie z.B. die USA.“

Alle Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass Mikrokredite eine sehr effiziente Form der Entwicklungszusammenarbeit sind. Unternehmenswillige, darunter viele Frauen, bekommen kleine Kredite mit oder ohne Zins, um Geschäfte aufzubauen, was die Wirtschaft in Entwicklungsländern wirksam fördert. Fast 100% dieser Kredite werden zurückbezahlt.