Wenn man mitten drin ist, ist man nicht allein

Auf Einladung der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) des Kanton Glarus hat am Mittwoch letzter Woche Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Schützenhaussaal in Glarus klar und temperamentvoll zur Volksabstimmung vom 8. Februar über die Weiterführung und Erweiterung des Personenfreizügigkeits- abkommens mit der EU Stellung genommen.



Bundesrätin Widmer erntete lang anhaltenden herzlichen Applaus (Bild: ehuber)
Bundesrätin Widmer erntete lang anhaltenden herzlichen Applaus (Bild: ehuber)

Sie empfahl ein deutliches Ja zu dem bereits 2002 und - mit Erweiterung - 2005 vom Schweizer Volk gutgeheissenen Abkommen, das um Rumänien und Bulgarien erweitert wird. Es sei das wichtigste aller mit der EU geschlossenen bilateralen Abkommen - und der bewährte bilaterale Weg beweise ja gerade, dass wir keinen EU-Beitritt wollen und brauchen. Wenn wir mitten drin sind in Europa, also vollständig von EU-Staaten umgeben, dann sind wir eben nicht allein.

Auf Arbeitskräfte angewiesen

Der (freie) Personenverkehr zwischen der Schweiz und dem Ausland sei nichts Neues, seitdem die Schweiz, früher ein armes Auswanderungsland, dank der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zu einem Einwanderungsland geworden ist und Arbeitskräfte auf allen Stufen angezogen hat, auf die wir nota bene auch angewiesen waren und sind. Schweizer wandern aber weiterhin auch aus, und sie sind im EU-Raum den dortigen Bürgern gleichgestellt, so wie die bei uns tätigen Ausländer die gleichen Rechte geniessen.

Freilich hat die Schweiz mit der EU auch eine Schutzklausel ausgehandelt, welche von Ausländern einen gültigen Arbeitsvertrag verlangt, und wir haben Bestimmungen gegen Lohndumping erlassen, die sehr genau und, besonders auch von den Kantonen, aktiv kontrolliert werden. Das Abkommen bringt also keine tieferen Löhne, wie die Gegner behaupten.

Hohe Wettbewerbsfähigkeit

Die Schweiz hat eine hohe Wettbewerbsfähigkeit erlangt. 60 Prozent unserer Exporte gehen in den EU-Raum. Würde dieser zugesperrt, wüssten wir nicht, wohin mit unsern industriellen und z.B. auch landwirtschaftlichen Produkten. Das hohe Wirtschaftswachstum war und ist nur noch möglich dank dem Engagement von Ausländern, vor allem auch von jenen Fachkräften, an denen es bei uns sonst mangelt. Nicht nur die Schweizer Unternehmen, sondern z.B. auch die Tourismusbranche ist auf Ausländer angewiesen, ebenso die Landwirtschaft, die übrigens viele Rumänen beschäftigt.

Unrichtige Argumente der Gegner

Die Bundesrätin ging auch detailliert auf einige Argumente der Gegner ein, so auf die Kriminalität, die in den letzten drei Jahren bei den EU-Bürgern nicht mehr gestiegen ist. Die Rückschaffung illegal Anwesender ist jederzeit möglich. Der Missbrauch der Sozialleistungen ist prozentual ebenfalls nicht mehr gestiegen.

Der Anspruch der Ausländer auf Sozialleistungen (Arbeitslosengelder, AHV) ist gerechtfertigt, da sie ja daran auch bezahlt haben.

Und der Steuerstreit mit der EU eignet sich überhaupt nicht als Argument gegen die Vorlage, denn in der Steuerfrage sind wir absolut souverän.

Die Gefahr, dass die Rumänen und Bulgaren nun in Massen einwandern, besteht überhaupt nicht. Vor allem Rumänien, das sich einem bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung befindet, braucht selber viele Berufsleute.

Mit den Roma schliesslich habe das Personenfreizügigkeitsabkommen nichts zu tun. Die Roma sind ja zum Teil sesshaft; die fahrenden Roma konzentrieren sich auf Italien. Wer zu uns kommt und keine Stelle hat oder findet, muss nach drei bis sechs Monaten wieder wegziehen. Das gilt für alle Leute aus der EU.

Alles wäre kündbar

Zur Verknüpfung der beiden Vorlagen, der Verlängerung des bestehenden Abkommens und Erweiterung auf Rumänien und Bulgarien, bemerkte die Rednerin, darüber könne man politisch streiten, aber ohne Rumänien und Bulgarien würde das Freizügigkeitsabkommen mittelfristig nicht „verheben“.

Bei einem Nein am 8. Februar würden innert weniger Monate alle bilateralen Verträge dahinfallen. Ob man sie neu verhandeln könnte, sei schwer zu sagen. Auf jeden Fall entstünde eine grosse Unsicherheit, von der vor allem die Unternehmen betroffen wären, die längerfristig planen müssten, um sinnvoll zu investieren.

In der anschliessenden Diskussion ergänzte Bundesrätin Widmer-Schlumpf, bei allfälligen Neuverhandlungen brächte die EU zweifellos auch die Steuerfrage aufs Tapet, was wir ja gerade nicht wünschen.

Die BDP für ein Ja

Bundesrätin Widmer erntete lang anhaltenden herzlichen Applaus. BDP-Kantonalpräsident Landrat Martin Landolt erklärte, die Partei sei klar für die Vorlage, gerade auch, um einen EU-Beitritt zu vermeiden. Zu Beginn der Versammlung hatte Gemeindepräsidenten Andrea R. Trümpy auch namens des Ja-Komitees die bundesrätliche Rednerin herzlich begrüsst und ihr ein goldgelbes Foulard mit dem Gemeindewappen überreicht; der Steinbock schaffe eine Beziehung Steinbock im Bündner Wappen. Die Bundesrätin hängte sich das Geschenk gleich um!