Mein Gesprächspartner ist Dr. Peter Tschudi, ehemaliger Näfelser Gemeinderat, Landrat und Chemielehrer an der Kantonsschule in Glarus. Seit 10 Jahren verbringt er gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Katharina Moergeli aus Linthal auf der schönsten aller Kanaren-Inseln La Palma seinen Lebensabend. Dr. Peter Tschudi erlebt zurzeit in seiner Wahlheimat ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits blieb seine in prächtiger Lage gelegene Liegenschaft im Dörfchen Jedey glücklicherweise von den gewaltigen und unaufhaltsamen Lavaströmen, welche seit Wochen die Hänge hinunter bis ins Meer fliessen, mehr oder weniger verschont. Anderseits musste der promovierte Chemiker live miterleben, wie die Liegenschaften und die Existenz lieber Freunde unter dem Lavastrom versanken. Auch sein Haus in Jedey liegt unter einer Zentimeter dicken Lava-Aschenschicht. Das schmerzt und hinterlässt nachhaltig Spuren. Per Skype habe ich Dr. Peter Tschudi ein paar Fragen gestellt, welch die Situation auf La Palma auf eindrückliche Art und Weise reflektieren. Topaktuell seine Antworten, die eindrücklich die aktuelle Situation auf La Palma schildern. Nachstehend das Interview:
Peter, du erlebst zurzeit auf der zur Spanien gehörenden Kanareninsel La Palma im wahrsten Sinne des Wortes «höllische Tage». Seit dem 19. September 15.12 Uhr Ortszeit speit ein Vulkanausläufer auf der Westseite der Insel, der zu der Cumbre Vieja gehört, unaufhörlich Lava aus verschiedenen Spalten und Löchern. Unaufhörlich bebt seit dieser Zeit die Erde. Nicht zu stoppen sind verschiedene Lavaströme, welche alles zerstören, was sich ihnen entgegensetzt. Viel Leid ist über die Bevölkerung dieser wunderschönen Kanareninsel gekommen. Existenzen sind durch die flächenmässig unglaubliche Zerstörung wegen den Urgewalten ernsthaft gefährdet. Zum Glück gab es auf wundersame Weise bis jetzt keine Toten oder Verletzte. Deshalb natürlich zuerst die Frage: Wie geht es dir und deiner Lebenspartnerin?
Es geht meiner Lebenspartnerin Katharina und mir so weit gut. Wir sind gesund und können uns hier im Hause unseres Freundes in El Paso, welches uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, frei bewegen. Wir wohnen rund 5 Kilometer vom Lavastrom entfernt und sehen, wenn wir zum Fenster hinausschauen, Tag und Nacht den Vulkan. Vor allem in der Nacht ist der Anblick spektakulär, faszinierend und atemberaubend. Leider mussten wir unsere Liegenschaft im kleinen Dörfchen Jedey aufgrund der Gefahrensituation verlassen. Unser Haus befindet sich nämlich mitten in der Gefahrenzone.
Wie hast du den Ausbruch des Vulkans erlebt?
Wir konnten uns auf einen baldigen Ausbruch vorbereiten. Zahlreiche geologische Untersuchung und Beobachtungen haben eindeutig darauf hingewiesen. Zusätzlich gab es Erdbeben – mittlerweile haben wir sicher über Tausend Erdbeben mit bis zu 4,9 Stärke auf der Richterskala erlebt – die darauf hinwiesen, dass in absehbarer Zeit etwas passieren könnte. Niemand aber wusste, wo der Ausbruch geschehen könnte. Am 19. September hatten wir um die Mittagszeit noch Besuch von unserer Gemeindepräsidentin. Exakt um 15.12 Uhr gab es einen Knall und dunkle Rauchwolken stiegen empor. Erst gab es nur einen Ausbruch, dann folgten zwei bis drei weitere und am Schluss waren es deren fünf.
Hast du Kenntnis, wie die aktuelle Situation in deinem Wohnort Jedey ist und ob euer Haus akut gefährdet ist? Hast du Zugang zu deiner Liegenschaft?
Das Problem bei uns in Jedey ist das Wasser. Da läuft überhaupt nichts mehr! Da unser Haus auf einer Anhöhe steht, sind wir im Moment nicht gefährdet. Niemand weiss aber, wie sich die Situation verändert. Die könnte sich schlagartig ändern. Die Liegenschaftsbesitzer in den gefährdeten Orten haben die Möglichkeit, immer begleitet von Feuerwehr, Polizei und sonstigen Einsatzkräften, ihre Häuser am Dienstag, Samstag und Sonntag zu inspizieren. Bei dieser Gelegenheit werden die Dächer oder sonst gefährdete Objekte von der Last der Asche mit Besen, Schaufeln, teils mit Laubbläser, wie sie beispielsweise die Bauern in der Schweiz besitzen, gesäubert. Das hat auch seinen Grund. Sollte nämlich Regen kommen, würde sich das Gewicht der Asche verdoppeln oder sogar verdreifachen, was zum Einsturz der Gebäude führen könnte.
Findet die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten genügend Unterstützung vom Staat und von den Behörden auf La Palma?
Ich kann dir nur sagen, dass ich noch selten so hilfsbereite, liebe Menschen vorgefunden habe wie hier auf La Palma. Jeder hilft dem anderen ganz nach dem Motto «Einer für alle, alle für einen». Bei dieser Gelegenheit muss ich der Gemeindepräsidentin Los Llanos ein spezielles Kränzchen winden: Was sie für die Bevölkerung leistet, ist schlichtweg sensationell. Ich habe noch nie eine so gute Gemeindepräsidentin erlebt. Ein richtiger Engel, allzeit bereit zum Helfen und den Leuten beizustehen und sie zu beraten. Schlichtweg grossartig und absolut spitze ist hier das Krisenmanagement. Feuerwehren, Polizei und sonstige Einsatzkräfte sind längerfristig aufgeboten und stehen rund um die Uhr im Einsatz. Der betroffenen Bevölkerung stehen psychologisch ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung. Sie alle sind bereit und helfen den Leuten, wo sie nur können, und dies absolut kostenlos!
Mit diesen erfreulichen Aussichten trotz der schlechten Lage beenden wir den ersten Situationsbericht aus dem Katastrophengebiet auf der Insel La Palma. Mit Dr. Peter Tschudi steht unser freier Mitarbeiter Hans Speck weiterhin in Kontakt. Er wird bei Bedarf weiterhin topaktuell über die Situation und den aktuellen Stand auf La Palma berichten.