«Die Kirche kann sehr froh um die Frauen sein»

Luther, Zwingli oder Calvin kennen alle. Doch wie steht es mit den Reformationsfrauen? Die Delegiertenversammlung der Evangelischen Frauen Schweiz hat sie in den Mittelpunkt gerückt.



Sie diskutierten über den Einfluss der Reformation auf die Frauenarbeit (von links): Pfarrerin Dagmar Doll
Sie diskutierten über den Einfluss der Reformation auf die Frauenarbeit (von links): Pfarrerin Dagmar Doll

Das Jahr 2017 steht im Zeichen des Reformationsjubiläums – und der grossen Männernamen. Die Reformation hat aber auch Frauen neue Zugänge zu Religion und Gesellschaft geöffnet. So liegen zum Beispiel die Wurzeln der diakonischen Arbeit in der Reformation. Damit befasste sich die 70. Delegiertenversammlung der Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) vom vergangenen Samstag in Glarus.

Impulsreferat und Podiumsdiskussion

Im öffentlichen Teil am Nachmittag ging es zunächst um Margarete Blarer (1494–1541). Die Theologin Dr. Urte Bejick stellte die «Ausnahmefrau» aus Konstanz vor. Ihre Familie war reich, angesehen und politisch verankert. Sie lernte Latein und unterhielt einen lebenslangen Briefwechsel mit dem Reformator Martin Bucer, Prediger in Strassburg. «Sie wollte nicht ins Kloster und auch nicht heiraten», erzählte die Referentin – ein anderes Bild aus der Reformationszeit als üblich.

Blarer setzte sich dafür ein, dass Konstanz reformiert wurde, führte das Leinengeschäft ihrer Familie und war zeitlebens karitativ tätig: Sie versorgte die Armen, nahm Waisenkinder auf, die sie auch unterrichtete, und widmete sich der Krankenpflege. Dabei infizierte sie sich mit Pest und starb.

Adlige, Nonnen, radikale oder bürgerliche Frauen hätten sich für die Reformation engagiert und für Hilfsbedürftige eingesetzt, sagte anschliessend Valeria Zubler, die das Podium zum Einfluss der Reformation auf die Frauenarbeit leitete. «Wieso wissen wir so wenig von ihnen? Und wie gehen wir mit ihrem Erbe um?»

In Zeiten des Umbruchs seien Männer einerseits Unterstützer, anderseits aber stets auch überfordert gewesen, meinte die Historikerin Dore Heim. Dies treffe ebenfalls auf Luther zu: Er hätte seine Frau sehr geschätzt, es gebe jedoch auch abschätzige Äusserungen von ihm über Frauen, sagte Marianne Jehle, ebenfalls Historikerin.

Pfarrfrauen waren sozialdiakonisch tätig


Die Runde befasste sich mit dem Bild der Pfarrfrauen. Für Dagmar Doll, sowohl Pfarrfrau (Ehefrau eines Pfarrers) als auch selber Pfarrerin, sind die Rollen verwischt. Ihr sei wichtig, ein offenes Haus zu haben, betonte sie. Marianne Jehle erinnerte an die Pfarrfrau Anna Kessler, die in St. Gallen mit ihren Kindern den Katechismus eingeübt hatte. «Die Frauen haben das Gedankengut der Reformation an ihre Kinder weitergegeben. Eine grosse Leistung.»

Die Pfarrfrauen übernahmen sozialdiakonische Aufgaben, denn mit der Reformation wurde das diakonische Handeln der Basis zugeordnet. Daraus entstanden professionelle Frauenberufe wie beispielsweise die Krankenpflege. Dass man heute angesichts der staatlichen Finanznöte wieder vermehrt auf das ehrenamtliche Engagement zurückgreift, bezeichnete Dore Heim als gefährliche Gratwanderung.

Einig war man sich, dass Diakonie nach wie vor auch in den Kirchen wichtig sei. «Was ist eine Kirche, die nur noch aus Predigt und Lehre besteht? Eine Theorie ohne Anwendung», meinte eine Frau aus dem Publikum. Die Kirche müsse sich jedoch ständig reformieren, dürfe nicht stehenbleiben. «Sonst können wir einpacken», so Pfarrerin Dagmar Doll. Es brauche vor allem auch sinnvolle Angebote für junge Leute: «Dann kommt Kraft und Energie rein», sagte Dore Heim. Und: «Die Kirche kann sehr froh um die Frauen sein.»

Evangelische Frauenhilfe als Gastgeberin


Am Vormittag hatten die rund 50 Delegierten die statutarischen Traktanden erledigt. Sie wählten Christine Volet-Sterchx neu in den Zentralvorstand. Geleitet wurde die Versammlung im reformierten Kirchgemeindehaus Glarus von Dorothea Forster. Die EFS-Präsidentin bedankte sich bei den Gastgeberinnen von der Evangelischen Frauenhilfe Glarnerland unter Monika Dürst-Legler herzlich für die gelungene Tagung.

Die Evangelischen Frauen Schweiz sind der Dachverband von reformierten und ökumenischen Frauenorganisationen. Sie vertreten in den Bereichen Kirche, Staat und Gesellschaft auf nationaler Ebene rund 37 000 Frauen.