Dreimal in der Werkstatt: Muss der Kunde dreimal bezahlen?

Für «Normalsterbliche» wird es immer schwieriger, bei all den Artikeln und Paragrafen im Gesetzesdschungel den Durchblick zu behalten. Rechtsanwalt Oliver Streiff gibt auf glarus24 Tipps zu Problemen aus dem Alltag.



Rechtsanwalt Oliver Streiff (Glarus)
Rechtsanwalt Oliver Streiff (Glarus)

Wegen der exakt gleichen Fehlermeldung durch den Bordcomputer musste ich mein Fahrzeug innerhalb von knapp zwei Wochen dreimal in die Werkstatt bringen. Jedes Mal hiess es, man habe den Fehler nicht gleich entdecken können oder es habe sich eine neue Problematik ergeben. In der Folge habe ich drei Rechnungen erhalten. Ist das in Ordnung? Schliesslich ist es nicht mein Fehler, wenn die Markenvertretung das Problem nicht auf Anhieb in den Griff bekommt.

Rechtsanwalt Oliver Streiff (Glarus), Experte für Vertrags- und Strassenverkehrsrecht, nimmt dazu wie folgt Stellung:

Handelt es sich um einen Neuwagen, sind die Kosten für die Fehlerbehebung über die übliche Werksgarantie gedeckt. In diesem Fall trägt der Mutterkonzern die Aufwendungen so lange, bis der Fehler behoben ist. Besteht keine Werksgarantie mehr, kommen die gesetzlichen Bestimmungen über den Werkvertrag zur Anwendung. Danach schuldet der Unternehmer dem Besteller die Herbeiführung eines Erfolges gegen Entgelt, in diesem Fall die Behebung des gemeldeten Fehlers.

Haben die Parteien ein fixes Honorar (Kostenvoranschlag) vereinbart, darf der Unternehmer keine höhere Rechnung stellen, als bei Vertragsabschluss vereinbart worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Reparatur sich als aufwendiger als anfangs vermutet erweist («hat sich eine neue Problematik ergeben»). Die Praxis erlaubt jedoch bei ausserordentlichen Umständen, die von keiner Partei vorausgesehen werden konnten, in aller Regel eine Werklohnerhöhung von 10 Prozent.

Haben die Parteien beim Vertragsabschluss kein oder nur ein ungefähres Honorar vereinbart, was in der Praxis üblich ist, darf der Unternehmer seinen Aufwand nach dem Wert seiner Arbeit in Rechnung stellen. Unnötige Aufwendungen («man habe den Fehler nicht gleich entdecken können»), der unter Anwendung der üblichen Sorgfalt und Fachwissens nicht angefallen wäre, dürfen nicht auf den Besteller überwälzt werden. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich, eine detaillierte Kostenabrechnung zu verlangen und sich die darin aufgeführten Aufwandposten vom Unternehmer erklären zu lassen. Bestehen weiterhin Zweifel, schafft am besten die Meinung eines Zweitunternehmers mehr Klarheit.

Die Entlöhnung nach dem Wert der Arbeit gilt grundsätzlich auch für jene Konstellationen, in welchen der Unternehmer für die Reparatur länger gearbeitet hat, als er («hat sich eine neue Problematik ergeben») anfangs voraussehen konnte. Der Unternehmer ist bezüglich des voraussichtlichen Mehraufwandes anzeigepflichtig. Wird der verabredete ungefähre Ansatz jedoch unverhältnismässig überschritten, gibt das Gesetz dem Besteller sowohl während als auch nach der Ausführung der Arbeit die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. Dies hat die Rückerstattung der gegenseitigen Leistungen zur Folge, bei Verschulden des Unternehmers zudem einen Schadenersatzanspruch des Bestellers. Ein professioneller Unternehmer tut deshalb gut daran, seinen Kunden die neue Sachlage umgehend mitzuteilen und sein Einverständnis für die zusätzlichen Reparaturarbeiten bzw. Kosten einzuholen. Damit es gar nicht erst zum Streit mit dem Unternehmer kommt, empfehle ich in jedem Fall, einen schriftlichen Kostenvoranschlag einzuholen, welcher die zu erledigenden Arbeiten und/oder ein fixes Kostendach aufweist. Der TCS z.B. stellt auf seiner Homepage entsprechende Formulare kostenlos zur Verfügung. «Dreimal in der Werkstatt: Muss der Kunde dreimal bezahlen?