Ein Saitensprung und musikalische Folgen

Die exzellent und intentionsreich ausgestaltenden Musikerinnen des seit leicht mehr als zwanzig Jahren bestehenden Trio Artemis mit Katja Hess, Geige; Bettina Macher, Cello; und der Pianistin Myriam Ruesch hatten für ihr Programm den New Yorker Saxofonisten und Komponisten Daniel Schnyder zu einem Mitgestalten eingeladen, das im Gemeindezentrum Schwanden unlängst auf verdient grosse Beachtung stiess. Eingeladen hatte der Kulturkreis Glarus Süd, ehemals Gemeindestube Schwanden, mit seiner Präsidentin Ruth Tüscher.



Geige; Myriam Ruesch
Geige; Myriam Ruesch

«Classic goes Jazz» – so die Ankündigung – gestattete eine Vielzahl von Erwartungen. In keiner Sekunde wurden «klassische Ohrwürmer» runtergespielt und mit irgendwelchen wilden Saxofonklängen garniert. Man spürte rasch, dass mit immensem kreativem Reichtum, der Lust am Ausprobieren, Zusammengehen, an weiten Spannungsbögen und wirbligem, kraftvollem Fügen einstudiert worden war. Auch wenn vonseiten der Ankündigenden von Improvisationen die Rede war. Notenmaterial stand zur Verfügung – bis auf jenen Moment, als sich die Geigerin Katja Hess für kurze Zeit verabschieden musste, weil eine Saite den Geist aufgegeben und sich zweigeteilt hatte und sich der Saxofonist Daniel Schnyder zu langen Improvisationen veranlasst sah. Es wuchs eine musikalische Vielfalt, ein Mix aus Eleganz, Traum, Rasanz mit virtuosen Läufen, ein Drängen, Suchen, Verharren. Und als die Geigerin wieder auf der Bühne stand, wurde dem Solisten mit verdient grossem, herzlichem Beifall gedankt.

Diesen Moment als Höhepunkt hervorzuheben, wäre ungerecht, würde den musikalischen Gang durch Welten von Bach, Haydn, Bizet und Bartòk hin zum Tango, komponiert von Astor Piazzolla empfindlich einengen. Die drei Damen dieses Ensembles haben sich keiner eindeutigen Stilrichtung verpflichtet. Sie bewegen sich im Bereich der Klassik ebenso geschickt, eingespielt und kenntnisreich wie in der Welt des Tangos. Sie sind experimentierfreudig, suchend, dank hoher spielerischer Reife unermüdlich unterwegs, vermögen Begegnungen zu vermitteln, die in dieser Art samt riesiger Vielfalt eine gewisse Einzigartigkeit in sich bergen. Dass sich der ungeheuer kreative und spielstarke Saxofonist Daniel Schnyder einbeziehen liess, ist ein Glücksfall für alle, die Improvisation und intensive Streifzüge durch viele musikalische Kulturen lieben, die sich nicht einfach zurücklehnen und geniesserisch zuhören.

Mit verschiedenen Ansagen wurde auf zu Erwartendes stets hingewiesen. Die Cellistin Bettina Macher merkte an, dass Daniel Schnyder eigentlich in vielen Welten zuhause sei – was ja mit der wechselvollen beseelten Interpretation von Bizets «Carmen» alsogleich bewiesen wurde. Man wurde in arabische Klangstrukturen, nach Nordamerika, in die Welt des Jazz und des vielfältigen Tangos hineingeführt, in eine Klangfülle mit Traum, Leidenschaft, Eleganz, immenser Hingabe, Gebieterischem, beinahe Schroffem. Das Zusammenspiel war spannend, erfüllend, weckte Interesse und Anteilnahme gleichermassen stark. Es wirkte alles so spielerisch leicht, elegant, präzise, reichhaltig. Es war aber nicht so, dass der Saxofonist brillierte, seine riesige gestalterische Eleganz in den Vordergrund rückte. Er liess dem Trio viel Raum. Das Zusammengehen, Auseinanderdfriften, sich wieder einfügend, dazugesellend zog sich durch alle Programmteile hindurch, weckte Genuss und Neugierde auf weitere Stücke mit ihrer Reichhaltigkeit, mit ihrer beneidenswert verrückten, entrückten Fülle, in der auch Eigenkompositionen des Saxofonisten zum Tragen kamen. Irgendwann traf man Händel in Harlem, hörte sich staunend an, wie kombinierbar so verschiedene Stilrichtungen sind, wurde mit Rumänischen Volkstänzen konfrontiert und verwöhnt und genoss eine Herbstsuite der unerwarteten, spannungsvollen Art.

Die Anteilnahme des Publikums war spürbar gross, herzlich und spontan. So darf man sich auf Weiterführendes freuen, das der Kulturverein Glarus Süd noch anbieten wird. Die Palette ist so reichhaltig und verschiedenartig, wie es mit diesem Auftritt der Fall war.