Erneuerungswahlen des Landrates – Validierung und Beschwerde

An seiner heutigen Sitzung behandelte der Regierungsrat auch die Erneuerungswahlen des Landrates. Dem Landrat wird beantragt, vom Bericht des Regierungsrates über die Validierung der Landratswahlen vom 30. Mai 2010 Kenntnis zu nehmen sowie die Ergebnisse in den Wahlkreisen Glarus und Glarus Süd vorbehaltlos und das Ergebnis von Glarus Nord unter Vorbehalt des Ausgangs des Beschwerde-, Aufsichts- und Strafverfahrens zu validieren



Der Regierungsrat als kantonale Wahlbehörde reichte eine Strafanzeige gegen Unbekannt beim Verhöramt ein
Der Regierungsrat als kantonale Wahlbehörde reichte eine Strafanzeige gegen Unbekannt beim Verhöramt ein

Es seien alle Gewählten mit Ausnahme von Siegfried Noser zur Eidesleistung zuzulassen. Letztgenannter hat gemäss Artikel 3 Absatz 3 der Landratsverordnung bis zur Erledigung des Beschwerdeverfahrens in den Ausstand zu treten.

Beschwerde

Gegen das Ergebnis in Glarus Nord ging fristgerecht eine Beschwerde von elf Stimm-berechtigten ein. Zu Ihnen gehören Angehörige verschiedener Parteien, Landrätin Prisca Müller Wahl vertritt die Gruppe nach aussen. Die Beschwerdeführenden rügen, Kandidat Siegfried Noser, Oberurnen, habe offenbar Stimmberechtigte zum gezielten Ausfüllen des Stimmzettels (SVP Liste mit ausschliesslich seinem kumulierten Namen und 23 leeren Zeilen) gedrängt, wobei von „Haus zu Haus Propaganda“, „Geschenken“ sowie vom „Mitnehmen der Wahlpost“ die Rede ist. Weitere Werbeaktionen, wie Abgeben von Partei-Werbelisten an Kindergarten- und Primarschulkinder nach Schulschluss mit Kindergeschenken, hätten kaum etwas mit informativer Wahlpropaganda zu tun, auch wenn dies vermutlich nicht strafbar sei. Sowohl die Sektion Glarus Nord der SVP als auch Siegfried Noser verwahren sich in ihrer Beschwerdeantwort dagegen, sie hätten gleiche Wahlwerbung wie andere betrieben und die Vorwürfe seien haltlos und falsch.

Vorläufige Abklärungen

Im Wahlprotokoll von Glarus Nord fällt die überdurchschnittliche Zahl von Zusatzstimmen bei der Liste 09 (SVP), aber auch bei der Liste 06 (SP) auf. Das Kantonale Wahlbüro prüfte die geltend gemachten Vorwürfe. Bei der Nachprüfung der eingereichten Wahlzettel stellte es bei der Liste 09 total 68 Wahlzettel fest, die Siegfried Noser kumuliert (in einigen wenigen Fällen mit einem zweiten Kandidaten ergänzt) aufführten, sonst aber leer waren. Zudem konnten Schriftbilder festgestellt werden, die bei vorläufiger Beurteilung als ähnlich oder gleich erscheinen. Auffallend ist, dass viele leere Listenplätze zusätzlich durchgestrichen wurden, zum Teil mit unterschiedlich farbigen Strichen. Ähnliches wurde bei 44 Wahlzetteln beim (nicht gewählten) Kandidaten Osman Sadiku, Oberurnen, auf Liste 06/SP festgestellt; allerdings waren die Ähnlichkeiten weniger signifikant. In diesem Zusammenhang wurde ein aufsichtsrechtliches Verfahren eingeleitet.

Die Häufung solcher Wahlzettel ist aussergewöhnlich; der geäusserte Verdacht entbehrt daher nicht zum Vornherein jeglicher Grundlage. Ein Teil der Wahlzettel dürfte aufgrund der gleichen Schriftbilder mangels eigenhändigen Ausfüllens ungültig sein, dies unter Umständen unabhängig vom Vorliegen einer strafbaren Handlung. Näheren Aufschluss können jedoch nur genaue Abklärungen (graphologisches Gutachten) geben. Es ist im Übrigen nicht Sache der Kantonalen Wahlbehörden, abzuklären, ob strafrechtlich relevante Verstösse vorliegen; dies ist Sache der Strafuntersuchungsbehörden (Verhöramt).

Mögliche Auswirkungen auf das Ergebnis Glarus Nord

Die Kantonalen Wahlbehörden hatten zu prüfen, ob das Beschwerdeverfahren Einfluss auf die Verteilung der Landratsitze in Glarus Nord haben könnte. Würden alle beanstandeten Wahllisten (je minus 1 für den Kandidaten) als ungültig erklärt, führte dies zu einer Reduktion der Parteistimmenzahlen bei der SVP um 1675 (67 x 25) und bei der SP um 1075 (43 x 25). In Beachtung der tieferen Verteilzahl ergäben sich folgende Sitzverschiebungen:

Junge Grüne 1 (+1), SP 3 (-1), SVP 7 (-1), FDP 4 (+1)

Auch bei den gewählten Kandidaten ergäben sich Verschiebungen durch Korrekturen bei den Personenstimmen. Somit kann ein Einfluss nicht ausgeschlossen werden. Näheren Aufschluss über die Gültigkeit der als fraglich beurteilten Stimmzettel kann nur ein graphologisches Gutachten geben, das im Beschwerdeverfahren und in einer Strafuntersuchung erstellt werden muss.

Validierung

Unproblematisch ist die Validierung in Glarus und Glarus Süd. Hier sind keine Beschwerden eingegangen, auch liegen keine Anhaltspunkte für Unregelmässigkeiten vor. Die Ergebnisse sind vorbehaltlos zu validieren. In Glarus Nord kann das Ergebnis hingegen nur unter dem Vorbehalt rechtskräftiger Erledigung von Strafuntersuchung und Wahlbeschwerde erfolgen. Zwei gewählte Mitglieder des Landrates können vorläufig nur provisorisch, Siegfried Noser kann aufgrund des hängigen Beschwerdeverfahrens vorläufig nicht vereidigt werden, wobei dies die laufenden Verfahren nicht präjudiziert.

Strafanzeige

Der Regierungsrat stellt fest, dass das festgestellte Abstimmungsverhalten grundsätzlich zulässig ist. Es ist auch nicht unzulässig, wenn ein Kandidat Stimmberechtigten solches Wahlverhalten empfiehlt oder gar nahe legt. Unzulässig sind (erst) das Ausfüllen fremder Stimmzettel, Wahlbestechung (Art. 281 StGB) und Stimmenfang (Art. 282bis StGB). Es handelt sich dabei um Offizialdelikte, die von Amtes wegen zur Anzeige zu bringen sind.

Diesbezüglich bestehen gewisse Anhaltspunkte, aber nicht gegen bestimmte Personen. Beweise für Wahlbestechung und Stimmenfang liegen keine vor. Auffallend sind jedoch gewisse Ähnlichkeiten, wie die häufige Streichung der leeren Linien, zum Teil mit blauen und roten Linien sowie ähnliche Schriftbilder. Aus strafrechtlicher Sicht lautet die Frage, ob es Gruppen von ähnlichen Wahlzetteln gibt, die von der Grösse her einen hinreichenden Verdacht auf systematisches Vorgehen begründen. Dies kann nur eine Strafuntersuchung klären. Der Regierungsrat als kantonale Wahlbehörde reichte daher eine Strafanzeige gegen Unbekannt beim Verhöramt ein.