Glarus – eine alpine Brache?

Unter diesem Begriff lud das Glarner Architektur Forum die Bevölkerung zu einem Gesprächsmatinée ins Ratshaus in Glarus ein. Alpine Brache sollte eher positiv wahrgenommen werden und hat keinesfalls einennegativen „touch“.



Podiumsteilnehmer von linksnach rechts: Kaspar Marti
Podiumsteilnehmer von linksnach rechts: Kaspar Marti

Unter der Leitung der Moderatorin Rahel Marti, Redaktorin Hochparterre, und (gebürtig von Matt), nahmen am äusserst interessanten Podiumsgespräch Landesstatthalter Pankraz Freitag, Marcel Meili vom ETH-Studio Basel, Prof. Dr. Ernst Brugger, Experte Regionalpolitik und Kaspar Marti, dipl. Architekt und Regionalengagierter, teil. Dass dieses Thema interessiert zeigte der grosse Publikumsaufmarsch an diesem Samstagmorgen. Der Saal in welchem normalerweise der Landrat tagt, war fast bis auf den letzten Platz besetzt.

Die Schweiz – ein städtebauliches Porträt

Unter diesem Titel präsentiert Marcel Meili von der ETH Basel die umfangreiche Studie. Während sechs Jahren – davon vier Jahre im Feld - wurden von Studenten viele Daten und Erkenntnisse gesammelt, welche dann in einem umfangreichen Werk festgehalten und in einer Karte veranschaulicht wurden. Wichtig ist bei der Studie die Urbanität, eine Existenzform, welche alle betrifft. Aus diesen Resultaten ergaben sich schlussendlich fünf Gruppen und zwar: als erste die Metropolitanregion bestehend aus lediglich drei Städten und zwar Basel, Lausanne und Zürich. Dann die Städte Netze mit kleineren linearen Gebilde und kleineren Städten, weiter die stillen Zonen und dann die Alpen Resorts. Dabei handelt es sich um Orte welche vom Tourismus leben. Nach Meinung von Meili gehört der Alpentourismus in der Schweiz zum grossen Verlieren, und das bereits seit 25 Jahren. Am Schluss dann die alpine Brache, zentrales Thema der samstäglichen Matinée. Aufgrund dieser Studie sind Gebiete welche dieser Gruppe zugeordnet sind Abwanderungsregionen, in welche die Bevölkerung von den Zentren ausgesogen und nicht von der Region abgestossen werden. In seinem Vortrag führte er aus, dass sich die Schweiz in Zukunft in Europa generell gegen grosse Zentren zu behaupten hat. Für den Kanton sind solche Beurteilungen vor allem bezüglich dem knallharten Bankenrating bei Kreditvergaben beim Tourismus. Im Anschluss an diese sehr umfangreiche und interessante Präsentation eröffnete Rahel Marti das Podiumsgespräch.

Animiertes Podiumsgespräch

Nach Meinung von Regierungsrat Freitag ist in dieser Studie der Kanton Glarus nirgends dabei, was auch gut ist. Wichtig ist, dass in unserem Kanton wieder etwas „passiert“ und wir die Talsohle erreicht und die Steigphase eingeläutet haben. Im erwähnten „Sog“ vom Grossraum Zürich sieht er keine Bedrohung, handelt es sich doch um einen Zustand, welcher seit vielen Jahren besteht, dies vor allem im Hinterland. Auch Prof. Brugger ist was den Kanton Glarus betrifft nicht beunruhigt und bei der Studie handelt es sich ja um eine Beschreibung - ein „comic“ – und nicht um eine reine Beurteilung. Nach Kaspar Marti ist es für den Kanton Glarus wichtig, dass versucht wird, in den Randregionen eine höhere Wertschöpfung zu erreichen. Wir müssen vermehrt wieder die Initiativen selbst ergreifen und zum Beispiel die Oekologie monetär einsetzen. Nach Meinung von Meili ist der Kanton Glarus keine Brachregion, denn es öffnen sich Möglichkeiten, dass in 50 Jahren solche Gebiete als Geschenk der Zukunft betrachtet werden können. Nach Meinung von Prof. Brugger ist eine Vernetzung mit dem Grossraum Zürich eine absolute Notwendigkeit für das langfristige Überleben unserer Region. Nach Regierungsrat Freitag ist die Bedeutung des Wassers als lebenswichtige Ressource ein wichtiges Thema der Zukunft. Aber auch der Wald hat in letzter Zeit wieder stark an Bedeutung gewonnen. Nicht zu unterschätzen sind die laufenden Projekte in Linthal mit der ersten Solarmodulfabrikation der Schweiz. Damit werden gegen 170 neue Arbeitsplätze – notabende im Hinterland – geschaffen. Sinnbildlich erklärt er „wenn es hinten im Tal „rutscht“ so kommt dies unweigerlich später auch nach vorn. Dass die Raumplanung ein Leitinstrument sein sollte findet Prof. Brugger nicht. Er erinnert, dass vor seches Jahren die drei Schwerpunktregionen geschaffen wurden, dabei würde heute Glarus Süd als Alpine Brache bezeichnet. Mit den neusten Projekten im Glarner Hinterland hat sich dies aber grundlegend geändert.Freitag betont, dass man sich sehr aktiv eingesetzt hat, dass Projekte wie Linth-Limmern oder Solar Plant kommen. Auch besteht schon seit vielen Jahren die Festsetzung, dass die bestehenden Bauzonen auch bei der Gemeindestrukturreformen bestehen bleiben. Es kann also auch in Zukunft nicht plötzlich willkürlich umgezont und gebaut werden.

Intensive Diskussion

Als erster meldete sich Walter Elmer, Gemeindepräsident von Elm mit der Frage was bei einer Vernetzung mit Elm respektive dem Kleintal passiert. Prof. Brugger ist der Meinung, dass auf jeden Fall eigene Initiative ergriffen werden muss. Vor allem die wesentlichen Spezialitäten sollten dabei hervorgehoben werden. Wobei es nebst der Eigeninitiative auch finanzielle Mittel braucht. Die in diesem Zusammenhang angesprochene Studie „Avenir Suisse“ fällt nach seiner Meinung klar ins Wasser. In diesem Zusammenhang betont Meili, dass auf keinen Fall Subventionen nach dem „Giesskannenprinzip“ und in Projekte, welche im Sand verlaufen vergeben werden sollten. Auf die Frage eines Besuchers, ob Braunwald als Touristencenter nicht aufgegeben werden sollte antwortete Meili, dass er dies nicht direkt beantworten könne. Sicher ist nach seiner Meinung, dass im Schweizer Alpentourismus erhebliche Probleme bestehen. Er glaubt, dass in absehbarer Zukunft noch höchstens sechs Alpine Resorts Chancen haben, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Nach Meinung von Freitag ist aber gerade die Nähe zum Grossraum Zürich sowie die „Nebelfreiheit“ eine grosse Chance für Braunwald oder auch Elm. Wir haben im Glarnerland aber interessantes Potential, wenn nicht weltweit, so doch in einem engeren, auch grenzüberschreitenden Rahmen. Nach Brugger muss sich Braunwald aber selbst entwickeln und wieder einbringen. Dazu braucht es im Ort selbst enorme Energie und Einigkeit aber auch private Investoren.

„Alpine Brache, dieser Begriff sollte eher positiv wahrgenommen werden und hat keinesfalls den „touch“ von Negativem.“ Dies die abschliessenden Worte von Marcel Meili.

„Wir sind zum Schluss beim wichtigsten Punkt dieser Studie angelangt und zwar beim Menschen.“ Damit verabschiedete Rahel Marti die zahlreich erschienen Zuhörer mit einem herzlichen Dank an die vier Podiumsteilnehmer. Diese konnten aus der Hand von Kaspar Marti noch je ein kleines Präsent in Empfang nehmen.