Ein gemütliches Abendessen im Freundeskreis. Die Unterhaltung plätschert dahin, wir sprechen über dies und das. Plötzlich wird es still, die Runde schaut mich entgeistert an. Was ist los? Ich habe doch nur gesagt, ich könnte mir nicht vorstellen, anderswo als im Glarnerland zu leben. Vielleicht noch im Süden an der Wärme, aber mit einem Bein bliebe ich immer in unserem schönen Kanton. Niemals würde ich die Zelte ganz abbrechen. Nachdem sich die Runde wieder gefasst hat, folgen die Reaktionen auf meine Aussage, welche anscheinend Überraschung ausgelöst hat. Denn eigentlich bin ich gar keine waschechte Glarnerin. Aber seit meinem zweiten Lebensjahr wohne ich hier und fühle mich als Glarnerin. Zwar reise ich gern und oft ins Ausland, komme aber ebenso gern wieder zurück. «Ich könnte überall leben», sagt eine Frau, welche als Erwachsene der Liebe wegen ins Glarnerland übersiedelt ist. «Mir würde es im Flachland besser gefallen als hier», erzählt eine im Kanton aufgewachsene Kollegin. «Mich zieht es sowieso ins Urserental», meint ein Glarner, der einige Jahre dort gelebt und gearbeitet hat. Niemand bestätigt meine Aussage. Dies wiederum überrascht nun mich. Sicher ist die Runde nicht repräsentativ. Aber ich hätte schon erwartet, dass die Bindung zum Glarnerland beim einen oder anderen enger ist. Ich bleibe bei meiner Meinung. Wir leben in einem wunderschönen Tal. Natürlich ist auch bei uns nicht alles Gold, was glänzt. Aber ich fühle mich wohl, bin verwurzelt, habe hier meine Heimat gefunden. Heimat nicht nur verstanden als besondere Beziehung zum Raum, sondern als «Gesamtheit der Lebensumstände, in denen ein Mensch aufwächst», wie eine Definition lautet. Dazu gehört vor allem auch die soziale Dimension, die Beziehung zu anderen Individuen. Ich spüre: Es ist die vertraute Umgebung in ihrer Gesamtheit, welche bei mir das Heimatgefühl auslöst. Wir diskutieren noch lange. Einig werden wir uns nicht, das muss aber auch nicht sein. Wir lassen die unterschiedlichen Meinungen stehen und gehen fröhlich auseinander. Wenn wir einander das nächste Mal zu einem gemütlichen Abendessen treffen, wird sich die alte Vertrautheit sofort wieder einstellen. Und dies gehört eben auch zum Heimatgefühl.
Ein Bijou im Zentrum von Glarus
