Mit Begleitung ...

Der Sommer bringt Ruhe, Erholung, schöne Einladungen. Über eine habe ich mich allerdings geärgert. Nicht wegen dem Fest, sondern wegen der Formulierung der Einladung.



Die Zahlen des Bundes zur Gleichstellung in der Schweiz sind nicht gerade ermutigend. (Bild: mb.)
Die Zahlen des Bundes zur Gleichstellung in der Schweiz sind nicht gerade ermutigend. (Bild: mb.)

«Sehr geehrter Herr Kuhn, mit grosser Freude laden wir Sie zu unseren Feierlichkeiten (...) ein!» So beginnt ein Brief, der meinen Mann Mitte Juni erreicht hat. Das wäre ja an und für sich nichts Schlimmes, sondern etwas Freudiges. Nur muss man wissen, dass die Institution, die feiert, meinen Mann eingeladen hat, weil wir von den Festivitäten in unserer Nähe betroffen sind. Wir, nicht nur mein Mann. Aber die Einladung ist nur an ihn gerichtet. Selbst beim Anmeldetalon steht vorgedruckt: «Ich nehme an folgenden Feierlichkeiten teil (bitte ankreuzen).» Und hinten steht dann noch (ebenfalls zum Ankreuzen): «Mit Begleitung.»

Meine erste Reaktion auf den Brief ist Verärgerung. Dass so etwas in der heutigen Zeit noch möglich ist, hätte ich mir nicht vorstellen können. Doch es ist so. «Ich komme sicher nicht mit», sage ich zu meinem Mann, der mit mir feiern möchte, «ich bin ja schliesslich nicht eingeladen.» Er versteht mich, da er die Einladung auch nicht als zeitgemäss formuliert taxiert. Aber er bleibt hartnäckig, weil er wie gesagt nicht alleine gehen möchte. Schliesslich lasse ich mich erweichen und sage zu, dass ich ihn begleiten werde. Eben: Ich bin dann seine Begleitung. Damit ich nicht ganz in der Anonymität versinke, schreibt er auf dem Anmeldetalon nicht nur seinen, sondern auch meinen Namen hin. Dies wäre zwar auch nicht vorgesehen. Aber was sein muss, muss sein.

Irgendwie passt das Ganze leider in unsere Zeit. Ich stelle seit Längerem fest, dass wir punkto Gleichberechtigung Rückschritte machen. Frauen sind nach wie vor in der Politik sowie in Kaderpositionen der Wirtschaft untervertreten, und sie verdienen immer noch weniger als Männer. Dabei ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau bereits seit 1981 in der schweizerischen Verfassung verankert. 1988 wurde das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann eingerichtet. Und seit Juli 1996 ist das Gleichstellungsgesetz in Kraft, welches insbesondere jegliche Form der Diskriminierung im Bereich der Erwerbsarbeit verbietet. «Die Realisierung dieses Prinzips bleibt aber eine komplexe Angelegenheit», heisst es auf einer Internet-Seite des Bundesamtes für Statistik.

Ich will mich nicht weiter zur Gleichstellung äussern, die Zahlen des Bundesamtes sind alles andere als ermutigend. Dass wir nicht weiter vorankommen, zeigt eben auch das kleine Beispiel der – notabene sozialen und nicht etwa wirtschaftlichen – Institution, die nur meinen Mann direkt zum Fest einlädt. Dass die Einladung zudem von einer Frau unterschrieben ist, betrübt mich noch mehr.

Sie sehen: Meine anfängliche Verärgerung ist in Betrübnis und Sorge um die Zukunft übergegangen. Wofür wir Frauen dereinst gekämpft haben, scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Ich hatte gehofft, dass nach all den Jahren Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit sein würde. Da habe ich mich wohl getäuscht. Leider.