Permafrost ist auch für das Glarnerland ein aktuelles Thema

Zurzeit wird viel über die Globale Erderwärmung und damit verbunden über das Abtauen des Permafrost geschrieben und gesprochen. Aus diesem aktuellen Anlass haben wir uns bei Thomas Rageth, Leiter Naturgefahren im Kanton Glarus, über die heutige Situation im Glarnerland erkundigt.



Leiter Naturgefahren im Kanton Glarus: Thomas Rageth (Bildmontage: jhuber)
Leiter Naturgefahren im Kanton Glarus: Thomas Rageth (Bildmontage: jhuber)

glarus24: Können Sie unseren Lesern in kurzen Worten den Begriff Permafrost erklären?

Thomas Rageht: Beim sogenannten Permafrost handelt es sich um einen dauernd gefrorenen Boden, welcher durch die Kälte zusammengehalten wird. Dabei muss nicht unbedingt nur gefrorenens Wasser der Hauptgrund sein. Auch gefrorene Masse kann zu diesem Permafrost beitragen. Je nach Kanton und Region können diese Phänomene lokal bis unter 1.300 Meter über Meer auftreten. Generell kann aber gesagt werden, dass Permafrost bei uns im Bereich ab 2.200 bis 2.500 Meter vorkommt. Bei uns treten die Probleme des Auftauens eher erst in Höhen von 2.500 Meter und darüber auf. Betroffen sind vor allem die Expositionen Nordost bis Nordwest.

glarus24: Haben die stetig steigenden Temperaturen und die wiederkehrenden Hitzeperioden heute schon Auswirkungen auf die Glarner Alpen? Wie steht es insbesondere um das Tödi-, Glärnisch- oder Hausstockmassiv? Wieweit sind beispielsweise die Ferienorte Braunwald oder Elm aber auch andere Orte gefährdet?

Thomas Rageth: Die Auswirkungen des diesjährigen heissen Sommers – insbesondere des Monats Juli – kann erst im Laufe des Augusts beurteilt werden. Wir haben zurzeit noch wenig Informationen um erste Schlüsse zu ziehen. Um über genaue Daten zu Verfügen müssten in den erwähnten Gebieten vorort Abklärungen durchgeführt werden. Dies ist kurzfristig aber nicht realisierbar. Zudem fehlen uns für solche Aufgaben „noch“ die notwendigen finanziellen Mittel. Selbstverständlich verfolgen wir laufend die sich verändernden Situationen. Sicher ist aber, dass im Glarnerland keine Ortschaften oder Siedlungen im Moment akut durch mögliche Bergstürze gefährdet sind. Solche Ereignisse treten auch nicht von Heute auf Morgen auf. Gefahr würde höchstens dann drohen, wenn durch grössere Mengen herabstürzenden Schutt ein Bach gestaut würde. Ein grösserer Schuttkegel würde durch andauerenden Regen aufgeweicht und könnte sich zu einem Murgang entwickeln.

glarus24: Könnte unter Umständen dieser abschmelzende Permafrost auch Einfluss auf das Projekt Linthal 2015 haben?

Thomas Rageth: Bei den heutigen, sich ständig verändernden Klimabedingungen kann nichts mehr ausgeschlossen werden. Dieses Projekt wird aber äusserst profesionell bearbeitet und es werden in dieser Hinsicht laufend Abklärungen vorgenommen. Damit kann auch jederzeit – bereits in der Planungsfase – sofort auf die geänderten Verhältnisse reagiert werden. Aber auch hier wird Sorge getragen, dass für Mensch und Tier keine Gefahren entstehen.

glarus24: War der Felssturz in der Reitmatt, Tierfehd vor einigen Jahren ebenfalls eine Folge des verringerten Permafrostes?

Thomas Rageth: Generell ausgeschlossen kann diese Vermutung nicht werden. Es wurden intensive Abklärungen getroffen, aber ohne ein definitives Ergebnis. Es ist aber aufgrund der Höhenlage des Anrisses eher unwahrscheinlich, dass dieser Felssturz auf abgetauten Permafrost zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass seinerzeit keine Menschen, Tiere oder Gebäude zu Schaden kamen. Durch die grosse Masse Schutt wurde aber die Linth „natürlich gestaut“ und es entstand ein kleiner See. Fährt man heute ins Tierfehd ist davon aber nichts mehr zu sehen.

glarus24: Der Kanton Glarus ist einer der wenigen Kantone welche bereits heute über eine Gefahrenkarte verfügen. Was hat es mit dieser Karte auf sich? Was kann der Laie dieser Karte entnehmen? Wie und wo kann die Glarner Bevölkerung diese Karte einsehen?

Thomas Rageht: Eine flächendeckende Gefahrenkarte für den ganzen Kanton existiert nicht und würde auch keinen Sinn machen. Gefahrenkarten werden nur von Gemeinde zu Gemeinde individuell erstellt, überall dort wo Menschen oder erhebliche Sachwerte bedroht sind. In diese Detailkarten kann jederzeit bei der entsprechenden Amtsstelle oder bei den Gemeindekanzleien Einsicht genommen werden. Der Kanton Glarus ist in dieser Hinsicht - im Vergleich zu andern Kantonen - recht fortschrittlich.

glarus24: Was kann unternommen werden um mögliche, wissentliche Gefahren in den nächsten Jahren zu reduzieren oder gar zu verhindern? Können mit herkömmlichen Mitteln die exponierten Gebiete technisch behandelt werden?

Thomas Rageth: Entwickelt sich die Erwärmung im gleichen Sinne weiter und schmelzen die Gletscher ebenfalls in diesem Tempo, haben wir keine Möglichkeit, aufkommende Gefahren zu reduzieren und gar zu verhindern. Wir können aber von Fall zu Fall entsprechende Massnahmen ergreifen. Das geht hin zur rechtzeitigen Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung oder über das Erstellen von Ablenkdämmen. Mit dieser baulichen Massnahme kann die zu erwartende Schuttmasse gesteuert werden.Somit können wir die Auswirkungen des Ereignisses beeinflussen. Wichtig ist für uns, dass wir ständig neue, aktuelle Informationen erhalten. Hier können die vielen, geübten Berggänger aber auch die verschiedenen Hüttenwarte viel dazu beitragen. Diese Leute verfügen über die notwendige Sensibilität um wichtige Veränderungen festzustellen und um diese dann auch kompetent an uns weiterzugeben. Viel hängt jeweils auch vom Winter ab, wie sich die Situation im Sommer entwickelt. Je länger der Winter dauert und die Schneedecken in der Höhe den Boden vor der Sonne „schützen“, je geringer ist die Gefahr dass der Permafrost abtauen kann.

Generell kann gesagt werden, dass die Situation im Kanton Glarus auf keinen Fall alarmierend ist. Es darf auf der andern Seite auch nicht leichtsinnig mit den ständig geänderten Gegebenheiten umgegangen werden. Wer sich zu sehr in Sicherheit wiegt wird von der Natur allzuplötzlich überrascht. Dies wird uns auf keinen Fall passieren. Wir halten Augen und Ohren ständig offen.

glarus24 bedankt sich bei Thomas Rageht für dieses aufschlussreiche Gespräch und wird die Situation in den Glarner Alpen auch weiterhin interessiert verfolgen.

Unten sehen Sie die Gefahrenkarte von Schwanden, der Blochlaui und dem Berglibach.