Schon vor dem Neustart eine Erfolgsgeschichte

Seit dem 1. Oktober 2010 stellen die Technischen Betriebe Glarus Nord und ab dem 1. Januar 2011 die Technischen Betriebe Glarus und Glarus Süd die Stromversorgung im Kanton sicher. Das tönt banal, ist es aber nicht. Denn die Fusion der bisherigen Elektrizitätswerke zu drei Technischen Betrieben war eine Mammutaufgabe.



Ein Teil der regionalen Strompraduktion: die Maschinengruppe RISI 3 in Näfels. (Bild: zvg)
Ein Teil der regionalen Strompraduktion: die Maschinengruppe RISI 3 in Näfels. (Bild: zvg)

«Die Fusion der Technischen Betriebe im Glarnerland ist schon heute eine Erfolgsgeschichte», freut sich Dr. Jakob Marti, Leiter der Abteilung Energie und Umwelt im Kanton Glarus. Für seine Genugtuung hat er durchaus einen Grund. Denn dank des glatt verlaufenen Zusammenschlusses der bisherigen Elektrizitätswerke zu den Technischen Betrieben Glarus Nord, Glarus und Glarus Süd wird nach dem 1. Januar 2011 in der Glarner Elektrizitätslandschaft vieles besser.

Unübersichtliche Strukturen

Bisher ist die Stromversorgung im Kanton von einem äusserst heterogenen und schwer überschaubaren Konglomerat sichergestellt worden. Kleine und kleinste Betriebe standen neben mittleren und grossen. Viele der Gemeinden besassen ein eigenes EW, andere hatten Verträge mit Drittanbietern geschlossen. Einige EWs waren in die Gemeindeverwaltungen integriert, andere nicht. Entsprechend verschieden waren bis anhin die jeweiligen Rechtsformen, Entscheidungsgremien, Autonomien und Betriebsstrukturen. Die Tarife bewegten und bewegen sich noch bis Ende 2010 zwischen 8,2 Rappen pro Kilowattstunde – im schweizerischen Vergleich ein unerreichter Tiefstwert – und relativ hohen 23,5 Rp./kWh. Das breite Spektrum hat nicht nur mit je nach Saison, Tageszeit und Spannungsart unterschiedlichen Preisen zu tun, sondern geht auch auf historische Entwicklungen und die besagte Heterogenität zurück.

Manche der ganz kleinen Elektrizitätswerke vermochten den zahlreichen und komplexen Gesetzesvorgaben aus eigener Kraft nicht mehr nachzukommen und gingen deshalb enge Kooperationen mit grösseren Werken ein. Die Komplexität des Strommarktes dürfte in den kommenden Jahren noch zunehmen, was weitere Werke überfordert hätte. Als weitere Erschwernis hinzu kommt, dass das glarnerische 50-kV-Verteilnetz hinsichtlich des Anschlusses an das übergeordnete 220-kV-Netz heute noch zweigeteilt ist. Das Gebiet von Bilten bis in den Raum Schwanden, vorderes Grosstal und Sernftal ist nur im Unterwerk Grynau über 50/220-kV-Transformatoren an das Verbundnetz angeschlossen, das hintere Grosstal von Linthal bis Diesbach inklusive Braunwald einzig über 50/220-kV-Transformatoren in der Schaltanlage Tierfehd. Weil zwischen Linthal und Schwanden auf der 50-kV-Ebene keine Verbindung besteht, fehlt in Störfällen die Möglichkeit, auf das jeweils andere Unterwerk auszuweichen.

Alles wird neu und vieles besser

Das alles wird ab dem neuen Jahr anders. Die im Rahmen der Gemeindestrukturreform neu geschaffenen Technischen Betriebe Glarus Nord, Glarus und Glarus Süd verfügen über eine beachtliche Grösse und ein entsprechendes Know-how. Organisiert als selbstständige, öffentlich-rechtliche Unternehmen, sind sie für die steigenden Anforderungen des Strommarktes gut gerüstet. Die Preise für elektrischen Strom bewegen sich künftig im ganzen Kanton innerhalb eines relativ schmalen Preisspektrums von 13,88 Rp./kWh in Glarus Süd und 16,52 Rp./kWh in Glarus Nord. Und die empfindliche Versorgungslücke im Glarner Hinterland wird in absehbarer Zeit geschlossen: Die Gemeinde Schwanden hat im Bewilligungsverfahren für den Bau einer doppelsträngigen 380-kV-Freileitung zwischen Schwanden und Tierfehd mit der AXPO die Erstellung einer leistungsfähigen 50-kV-Verbindung Schwanden-Linthal ausgehandelt. Mit dieser Massnahme kommt das ganze Glarner Verteilnetz zu einer zweiseitigen und damit redundanten Einspeisung aus dem übergeordneten 220-kV-Netz, was die Versorgungssicherheit im Kanton wesentlich erhöhen wird.

Die Leiter der drei Technischen Betriebe vermelden unisono und mit berechtigtem Stolz: «Wir haben zwar noch viel zu tun, aber am 1. Januar 2011 sind wir startklar.» Die Glarnerinnen und Glarner mögen diesen Sachverhalt zwar – zu Recht – als Selbstverständlichkeit voraussetzen. Und doch steht er am Ende eines aufwendigen und komplizierten Umstrukturierungsprozesses. Dabei galt es nicht nur die vielen unterschiedlichen Elektrizitätswerke zu drei neuen, wettbewerbsfähige Unternehmen zusammenzuführen, sondern auch, die Erfordernisse des neuen Stromversorgungsgesetzes zu berücksichtigen. Die federführenden Projektgruppen in Glarus Süd, Glarus und Glarus Nord haben sich deshalb bereits frühzeitig zu einem engen Schulterschluss entschlossen, einen Berater berufen und die Vereinigung gemeinsam vorbereitet. Die beispielhafte Kooperation wird jetzt auch im Label «Glarner Energie» sichtbar, unter dem die drei Technischen Betriebe ihre Produkte anbieten.

Sehr attraktive Strompreise

Die positiven Aussagen zur neuen Glarner Stromlandschaft stehen in einem gewissen Kontrast zu den Unmutsäusserungen, die in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen sorgten. Sie kamen aus bisherigen Gemeinden, deren Bevölkerung, Industrie und Gewerbe sich mit teilweise spürbaren Strompreis-Aufschlägen konfrontiert sieht. Die Riedener und Riedenerinnen beispielsweise müssen statt der bisherigen 8,2 Rp./kWh neu 14,88 Rp./kWh bezahlen, ein Preis, der für die Vorzugsenergie, mit der sie beliefert werden, angemessener ist als der bisherige. Ebenso müssen die Netstaler, deren Strombezüge seit 2007 von der Gemeinde durch die Auflösung von Rückstellungen subventioniert wurden, mit höheren Tarifen rechnen. Auch andere Dörfer – und zwar nicht nur in der neuen Gemeinde Glarus – sehen markanten Preissteigerungen entgegen. Reto Frey, Verwaltungsratspräsident der Technischen Betriebe Glarus und Vorsteher des Ressorts Versorgung und Sicherheit im neuen Glarner Gemeinderat, betont: «Wir können die Verärgerung der Konsumenten nachvollziehen. Preisaufschläge sind für niemanden erfreulich. Angesichts der breiten Preisspanne innerhalb der neuen Gemeinde Glarus waren sie aber unumgänglich. Eine Mehrheit der Bevölkerung profitiert übrigens von teils ebenso markanten Preisreduktionen.» Nachdem man den Stromkonsumenten die Sachlage transparent dargelegt habe, fügt Frey hinzu, sei der Unmut einem gewissen Verständnis gewichen. Ausserdem lägen die neuen Preise immer noch unter dem Niveau der Tarife im Jahr 2006.

Jakob Marti unterstützt Frey: «Die Strompreise im Kanton Glarus sind nach dem 1. Januar 2011 ausgesprochen konkurrenzfähig. Die Strompreise für Firmen zählen im schweizerischen Vergleich zu den tiefsten, jene für die privaten Haushalte sind ebenfalls sehr attraktiv. Das Glarnerland ist mit seinen Strompreisen also ausgesprochen konkurrenzfähig.» Und, bleibt anzufügen, vor allem auch transparent. Die drei Technischen Betriebe haben sich auf eine vergleichbare Preissegmentierung verständigt. Je nachdem, wie viel Strom man bezieht, wird man einem der Segmente Mini, Standard, Medium (Gewerbe) oder Profi (Industrie) zugeordnet. Für Kundinnen und Kunden, die nur während eines begrenzten Zeitraumes Strom beziehen, gibt es zudem das Preissegment Temporär. Das Preissystem ist leicht überschaubar und – weil es im ganzen Kanton gilt – für die Kunden auch vergleichbar.

Personalfrage gut gelöst

Zu den grössten Herausforderungen bei der Bildung der drei Technischen Betriebe zählte die Personalfrage. Ob dem Glarnerland während der Restrukturierung der Stromversorgung wohl die besten Fachleute abhandenkommen würden? Heute winken die drei Betriebsleiter erleichtert und ebenfalls einstimmig ab: «Der befürchtete Exodus hat nicht stattgefunden. Wir konnten für die verschiedenen Posten jeweils die Leute gewinnen, die wir uns gewünscht haben.» Auch dieser Erfolg war keine Selbstverständlichkeit. Er ist das Resultat einer grossen Sorgfalt, umfassenden Transparenz und intensiven Kommunikation während des Umgestaltungsprozesses. Die Mühe hat sich ausgezahlt, wichtiges Know-how konnte gesichert werden.

Gesunde Konkurrenz

In der neuen Glarner Energiewelt ist nun vieles klarer und über die Gemeindegrenzen hinaus vergleichbar geworden. Aber vergleichbar heisst nicht gleich: Die drei Technischen Betriebe werden sich in manchen Belangen unterscheiden. Die TB Glarus zeichnen im Unterschied zu den beiden anderen neben der Strom- auch für die Gas- und Wasserversorgung verantwortlich. Zudem verzichten sie auf eine eigene Installationsabteilung. Bei den TB Glarus Süd bereichert ein Verkaufsladen die Angebotspalette. Und selbstverständlich sind die Strukturen der drei Betriebe den Rahmenbedingungen der jeweiligen Gemeindegebiete angepasst. Überall vergleichbar sind jedoch die Erwartungen im Hinblick auf das Sparpotenzial und die Synergien: «Ja, wir rechnen mittelfristig mit Synergien – dank der höheren Professionalität, dem schlanken Betrieb und der grösseren Effizienz», sagen die Leiter der Technischen Betriebe und schauen entsprechend zuversichtlich dem neuen Jahr entgegen. Die Energiezukunft steht im Glarnerland auf starken Beinen.