Die kleine Niederdorfoper in Glarus

Nach der Barockoper Semele und dem Flower-Power-Musical Hair kommt also, wie schon angekündigt, die dritte Musikproduktion des Schwerpunktfaches Musik der Kantonsschule nach Glarus: Paul Burkhard’s Kleine Niederdorfoper.



Turbulent: Im "Lämmli" ist einiges los. (Bild: jhuber)
Turbulent: Im "Lämmli" ist einiges los. (Bild: jhuber)

Paul Burkhard, der wohl berühmteste Komponist der Schweizer Musikszene war ein waschechter Zürcher. Im Enge-Quartier geboren, lebte er viele Jahre am Zeltweg. Als Musiker des Schauspielhauses hatte er Umgang mit allen Grossen seiner Zeit: Bert Brecht, Friedrich Dürrenmatt, uva. Berühmt wurde er mit seinem Hit „O mein Papa“, der in vielen Coverversionen auf der ganzen Welt gespielt wurde. Sein spätes Schaffen widmete er der Kirchenmusik, daselbst der Literatur für Kinder. Aber auch diese wurden Hits, so etwa „Was isch das för ä Nacht“ oder „De Stern vo Bethlehem“ aus der Zeller Weihnacht.

Die kleine Niederdorfoper indes erzählt vom Leben in Zürichs Altstadt, wo biederes Bürgertum und Zürcher Entertainement aufeinandertreffen. Selbstverständlich machen die Bewohner und „lieben Nachbarn“ das, was alle Schweizer gut können: streiten. Und sei es nur einmal mehr wegen Lärmbelästigung.

Die Unterschiede, klein aber fein

Die Glarner Inszenierung folgt zwar den traditionellen Aufführungen von 1951 und 1984. Letztere wurde berühmt durch die unsterbliche Interpretation des Heiri, gespielt von Ruedi Walter und Margrit Rainer als Irma. Es dürfte aber das erste Mal in der Inszenierungsgeschichte der Niederdorf Oper sein, dass diese ausschliesslich von Jugendlichen gespielt wird. Und genau hier liegt wohl die Kraft der Darstellung: diese jungen Menschen bringen eine ganz neue Perspektive der Dinge ein, weil für sie viele Selbstständlichkeiten nicht mehr existent sind und neu erlernt werden mussten. Viele Verständnisfragen mussten erst geklärt werden, um den eigentlichen Sinn einzelner Sätze oder Symbole zu verstehen. Da hängt etwa – weil es das Libretto so verlangt – das Bild von General Guisan in Restaurant. Damals war dieses Antlitz jedem Schweizer geläufig, wurde Hernri Guisan zeitweilig fast wie ein Übervater verehrt, fehlt heute oft der Bezug dazu. Oder wer von den Jugendlichen weiss heute noch von etwas von den Entbehrungen einer „Rationierung“.

Nach einer Vorbereitungszeit, die für einige Protagonisten mehr als ein Jahr andauert, entsteht an der Kanti wiederum ein Musiktheater ganz besonderer Art. Mit viel Herzblut und noch mehr geopferter Freizeit, lassen die Mitwirkenden die 50er noch einmal aufleben. In die gleiche Richtung gehen die Kostüme (es werden etwa echte Heilsarmee-Uniformen verwendet) und die Kulissen, welche die Erbauer vor eine grosse Herausforderung stellten. Um das Bühnenbild auszuwechseln, stehen gerade mal fünf Minuten zur Verfügung. Da muss jeder Handgriff sitzen, damit alles zwar in Windeseile, jedoch mit grosser Umsicht von statten geht. Die FMS Klasse 4u übt eigens für diesen wichtigen Kurzeinsatz.

Im Gegensatz zu anderen Inszenierungen wird in Glarus nicht auf ein Liveorchester verzichtet. Die Besetzung entspricht der Urversion von Paul Burkhard. Es spielen Monika Suter, Klarinette, Roman Wutzl, Trompete, Susanne Bretscher, Akkordeon, Martin Schilling und Marie-Thérèse Schönenberger, Pianos, Walter Kaiser, Schlagzeug und Christian „Randy“ Müller, Bass unter der Gesamtleitung von Schulmusiker und Dirigent Christoph Schönenberger. Damit verliert sich die Musik nicht in der Steifheit einer Playback-Inszenierung.