Literaturführung trotz Wind und Wetter

Am Freitagabend fand die von Emil Zopfi geleitete Literaturführung durch Glarus statt. Etwa 40 Teilnehmer trotzten Wind und Wetter. Die vorzeitig abgebrochene Veranstaltung führte vom Zaunplatz über den Spielhof zum Spital. Anna Göldi, die „letzte Hexe Europas“, war Hauptgegenstand von Zopfis Ausführungen. Organieisdrt wurde diese Führung durch kulturaktiveGALRUS.



Emil Zopfi bei seinen Ausführungen auf der Literatour durch Glarus. (Bilder: mst.)
Emil Zopfi bei seinen Ausführungen auf der Literatour durch Glarus. (Bilder: mst.)

Alles begann – was das Wetter anbelangt – recht harmlos, und Zopfi selber war erstaunt, dass so viele Interessierte an seiner Führung teilnehmen wollten. Im Portikus der Stadtkirche versammelten sich etwa 40 Literaturfans, die meisten von ihnen mit Schirm oder Regenschutz ausgestattet.

Jakob Vogel, Brand von Glarus und Landsgemeinde

1810 wurde in Glarus der Dichter und Geschäftsmann Jakob Vogel geboren, der im Alter von 20 Jahren schon 600 Bücher besass. 1843 übernahm er die Druckerei und die Verlagshandlung seines Schwiegervaters Cosmus Freuler am Zaunplatz Nummer 20. Sein Haus war ein „Sammelplatz fast aller Literaten und Dichter der Schweiz“, seine politischen Interventionen machten ihn bei gewissen Kreisen verhasst.

Der Brand von Glarus vom 10./11. Mai 1861 machte 2300 Einwohner obdachlos und forderte 5 Menschenleben, 600 Häuser brannten. Die Erzählung „Der Telegrafist“ (1962) von Kaspar Freuler (1887 – 1969), dem Primarlehrer und Schreiber von an die 60 Dialektstücken, handelt vom Beamten Steinmann, der beim Brandausbruch Hilfe herbeitelegrafierte. Sein wichtigstes und mit Abstand bestes Buch aber ist der historische Roman „Anna Göldi – Die letzte Hexe der Schweiz“ von 1945.

Im Buch „Bitterkeit und Tränen“ von Walter Hauser finden sich Szenen der Auswanderung und die Ausschaffung des heimatlosen Samuel Fässler nach Amerika. Hatten die Fässler-Brüder nicht damit gedroht, das Rathaus und das Haus des Kriminalgerichtspräsidenten Johannes Trümpi anzuzünden, der seit 1837 fast 25 Jahre lang die Strafjustiz im Glarnerland mit eiserner Faust bestimmt hatte?
Werner Wiedenmeier veröffentlichte 1983 den Band „Tobias Liebezeit, Doppelspuren“, in dem er die Glarner Regierung an der Näfelser Fahrt in Frack und Zylinder mit Pinguinen verglich. Das kostete ihn 1986 den Werkbeitrag des Kantons Glarus. Dafür erhielt er den ersten und einzigen „Alternativen Glarner Kulturpreis“, für den auch Emil Zopfi Geld gesammelt hatte und den sie ihm im Bahnhofbuffet verliehen.

Tim Krohn und Anna Göldi

In der Oberdorfstrasse/Ecke Zollhausstrasse machte uns Emil Zopfi bei immer stärker werdendem Regen auf das Buch „Drei auf dem Ruchen“ von Kaspar Freuler aufmerksam, sowie auf die Romane „Quatemberkinder“ und „Vrenelis Gärtli“ von Tim Krohn. Darin vermischt er Hochdeutsch mit der Glarner Mundart. Beide Bücher waren Bestseller und verkauften sich auch in Deutschland wegen seines freien und sprachkreativen Umgangs mit Sagenmotiven und der Vermischung der Varietäten gut.

Im Spielhof stand das Gerichtshaus, in dem Anna Göldi zum Tod verurteilt wurde. Auf dem Personalparkplatz im Norden des Kantonsspitals las uns Zopfi ihre Hinrichtung aus Sicht von Kaspar Freuler und der allbekannten Eveline Hasler vor. Freuler schreibt: „Sie beugt sich, wie demütig, nach vorn. Mit harten, wütenden Schnitten schneidet Heiner ihr das Haupthaar aus dem Genick und hält es krampfhaft in seiner Faust fest.“ Sie spricht noch ein Unservater, darauf folgt: „Mitten im Unservater steigt das blanke Schwert in die Höhe, steht silberfunkelnd einen Augenblick lang im Sonnenglanz – und stürzt mit gewaltigem Schwung rasch und schwer.“ Eveline Hasler als auch Kaspar Freuler schreiben vom Volksfestcharakter, den dieses Ereignis hatte. Tausende Schaulustige waren gekommen, und im Text von Hasler werden an die Armen und Kinder sogar Brötchen verteilt.

Zopfi liess darüber abstimmen, welche der beiden Versionen bei den Teilnehmern der Literaturführung auf mehr Zustimmung stiess. Klare Siegerin war Eveline Hasler. Die Literatour durch Glarus wurde darauf frühzeitig abgebrochen, eine Fortsetzung ist geplant.