Luthers Zeit – Begegnungen in Ennenda

Wer Luthers Zeit aus Gründen des Namens auf rein Kirchliches, Ernsthaftes, vorbildliche Einhaltung von pfarrherrlich Vorgegebenem und damit Erwartetem, Lebenshaltung ohne Fehl und Tadel reduziert, sah sich spätestens nach dem Konzert in der Kirche Ennenda eines wahrhaft Besseren belehrt.



Noten und Instrumente. Magdalena Mattenberger
Noten und Instrumente. Magdalena Mattenberger

Was der mit Sangesfreudigen verstärkte Kirchenchor Ennenda unter Leitung der absolut überzeugenden und kreativ vorbereitenden Dirigentin Magdalena Mattenberger, die solistisch mitgestaltenden Ana Djordjevic (Sopran) und Jacob Lawrence (Tenor), das fünfstimmige Gamben-Consort mit Jane Achtman, Irene Klein, Tore Eketorp, Elizabeth Rumsey, und Magdalena Mattenberger auf den nachgebauten Renaissance-Instrumenten und der Organist Thomas Mattenberger mit viel Herzblut, Können, leichtem Pathos und gehöriger Lebensfreude ausgestalteten, war ungemein kunstvoll, wurde in der voll besetzten Kirche – einem bezüglich Akustik und Baulichem gar wertvollen Konzertraum mit viel Anteilnahme aufgenommen. Der Kirchenchor hatte sich mit seiner musikalischen Leiterin an ein grosses, forderndes Vorhaben gewagt, als es ums Erarbeiten des attraktiv gegliederten Programms ging, wechselten sich doch beim kurzweiligen Interpretieren Soli, Instrumentales, alle Chorregister gemeinsam, sich dann wieder voneinander lösend, dies nach feierlichem «Einmarsch» und dem ersten Orgelspiel, einer Komposition von Hans Kotter (1480 – 1541). Thomas Mattenberger gestaltete mit viel Eleganz und einfühlender Spielkunst aus. In Anbetracht der vielen Texte stand glücklicherweise ein willkommenes, sorgfältig gestaltetes Begleitheft zur Verfügung. So konnte man sich die mannigfaltigen Inhalte mühelos nachvollziehen. Choräle, Psalm- und Choralmotetten schrieben Ludwig Senfl (1490 – 1543), Martin Luther (1483 – 1546) und Johann Walter (1496 – 1570). Ernsthaft, verinnerlichend und feierlich klang alles auf. Auf Gamben wurde zum Teil einfühlend begleitet, dann wieder instrumental gestaltet, alles überzeugend und sehr gehaltvoll. Dazu kamen die verschiedenen kurzen Orgelwerke, unter anderem auch von Arnolt Schlick (1460 – 1521). Stets standen sie am Anfang eines Liedblocks. Die solistisch auftretenden Ana Djordjevic und Jacob Lawrence sangen einfühlend, wechselvoll, sehr innig und ausdrucksreich. Die Chorgemeinschaft stand dem in nichts nach. Es war erfüllend, mit welcher Sicherheit, Präsenz, Kraft und dynamisch klugem Gliedern der grosse Part gemeistert wurde. Mit spürbarer Freude und Ernsthaftigkeit fühlten sich alle in unerwartet Wechselvolles ein, beginnend mit bekannten Chorälen wie «Wir glauben alle an einen Gott» oder «Ein feste Burg ist unser Gott» und dann zu sehr Weltlichem, Frivolem, Keckem, Lieblichem, leidenschaftlicher Sehnsucht hinführend. So «tagete es vor dem Walde», Kätterlin wurde zum Erwachen und Aufstehen ermahnt, es wartete der «Holde Buehl». Dann «tagete es auch vor dem Holze» und die «Jäger hürnen stolze». Und wie schön muss es in jenem Mai vor Jahrhunderten gewesen sein, als die Hähne krähten und sich die schöne Bauernmaid so freute – aus Gründen, die absolut nachvollziehbar sind. Man vernahm dann einiges vom guten Heinrich, las von Lohrkess, Tannzapfen, Dittelkolben, Dokkenblättern und anderem. Die Solisten sangen gar Leidenschaftliches über Häher, Dohle, Elster und weitere Vögel, die sich recht frech und anmassend aufzuführen wissen. Ein gar kurzweiliger und klug gewählter Schluss wurde mit dem «Geläut zu Speyer» von Ludwig Senfl gewählt. Der Text war von erfrischender Naivität erfüllt. Es wurde erzählt, geschwärmt, ermahnt, ermuntert, zum Mittun eingeladen: «Hans, tue dich munter umb, dass Glock` entbrumm und schau` mit zue, dass s `Seil nit brechen tue.» Es war ein rundum erfüllendes Interpretieren, das mit verdient grossem und langem Applaus verdankt wurde. Der Kirchenchor und seine musikalische Leiterin haben auf beste Art Werbung in eigener Sache gemacht und damit zum Mittun gar charmant eingeladen.