Sinn bringende Informationen und Diskussion

Die Pro Senectute Glarus mit Peter Zimmermann als Stellenleiter und seinem engagierten Team lud kürzlich zu einer Veranstaltung in die Aula der Kantonsschule Glarus ein. Es war ein Treffen, dem erfreulich viele Personen Folge leisteten. Damit wurde aufgezeigt, was interessiert, belastet und zum Teil auch geändert werden muss. Als Veranstalterin hat sich die Pro Senectute hohe Ziele gesetzt und Fachpersonen eingeladen, die umfassend, ehrlich und kompetent referierten und Antworten auf viele Fragen wussten.



Pfarrer Daniel Zubler
Pfarrer Daniel Zubler

Es ist der Pro Senectute Glarus, unserem anerkannten Kompetenzzentrum für das Alter, hoch anzurechnen, dass zu einem derart sensiblen Bereich unserer Gesellschaft eingeladen worden ist.

Peter Zimmermann führte bei seinem Begrüssen aus, weshalb er diesen Schritt gemacht hat. Nach der Lektüre des bewegenden Buches «Erlebte Menschlichkeit» des Theologen Hans Küng, machte er sich ans Umsetzen dieses Grundgedankens. Das menschliche Leben ist unser fundamentalstes und höchstes Gut, so Zimmermann. Unheilbares kann sehr Belastendes werden. Humanes Sterben bewegt Betroffene, Angehörige, Pflegende und weitere Fachpersonen gleichermassen. Zu diesem Prozess haben sich Prominente in den Medien mit grosser Offenheit geäussert. Mit der Veranstaltung in der Kanti-Aula wolle man, so nochmals Peter Zimmermann, kein Werten vornehmen, sondern ein umfassendes Informieren – das hoffentlich über diese Veranstaltung weitergehe – anbieten.

Eingeladen waren Dr. Esther Girsberger, Publizistin und Dozention aus Zürich als kluggewichtende Moderatorin; Susanne de Wolf-Linder, Palliativ Care, London, in der onkologischen Forschung tätig; Bernhard Sutter, ehemaliger Journalist, ab kommendem Januar Geschäftsführer von Exit, der bedeutenden Organisation für humanes, begleitetes Sterben, und Pfarrer Daniel Zubler, Seelsorger am Kantonsspital Glarus.

Esther Girsberger stellte die jeweils Referierenden kurz vor, bevor man in geraffter Form Wesentliches erfuhr. Susanne de Wolf-Linder referierte in breitestem Glarnerdeutsch. Sie ist in London tätig, in einem begleitenden Beziehungsnetz, das beispielsweise im Glarnerland erst ansatzweise im Aufbau begriffen ist. Die ursprünglich zur Pflegefachfrau Ausgebildete wies auf die Bedeutung des Lebens hin. Bis zu dessen Ende sei das Leben wichtig. Sie zitierte die Gründerin der Hospiz-Bewegung, zeigte auf, wie Saunders ihre Visionen in Tat umgesetzt hat. Palliativ Care – so Susanne de Wolf, lasse sich mit der Umhüllung durch einen Mantel verdeutlichen. Es wachse damit Ganzheitliches; Aspekte, die das Palliativteam – bestehend aus Arzt, Pflegende, Psychologe, Seelsorger und eventuell weiteren Fachpersonen – sorgsam und respektvoll umsetzt. Palliativ care verbessert die Lebensqualität für oft unheilbar Schwerstkranke und deren Angehörige im physischen, psychosozialen und spirituellen Bereich. Im Umsetzen sind viel Sorgfalt, Kraft und Aufwand erforderlich. Das Team muss mit Beginn des Begleitprozesses dabei sein. Die WHO sagt ausdrücklich, dass Palliativ Care ein Menschenrecht ist. Mit der Begleitarbeit beginnen zahlreiche Informationen zu fliessen. Ihren Beginn haben sie nicht selten beim Hausarzt.

Für Susanne de Wolf ist klar, dass ein möglichst breites Sensibilisieren Sinn macht, dass ein Grundwissen alle Interessierten und Betroffenen erreichen soll. 75% der oft Schwerstkranken möchten im eigenen Heim sterben. Der Hinschied im Spital hat nicht selten hohe Kostenfolgen. Die Referentin zeigte auf, wie sich die Arbeit des Palliativ Care-Notfalldienstes – in der Schweiz zu wenig bekannt – abwickelt. Die Referentin anerkennt die sinnvolle und professionelle Arbeit in Altersheimen, durch die Spitex und Begleitgruppen. Ein besseres Vernetzen macht Sinn .Bernhard Sutter, momentan Vizepräsident von Exit, zeigte auf, dass eine Generation gewachsen ist, die im hohen Alter ein selbstbestimmtes Leben und Sterben will, sich damit eingehend befasst. Exit erfährt wachsende Bedeutung im Bereich des Informationsflusses über das humanitäre Sterben. In den letzten fünf Jahren traten 30 000 Mitglieder dem Verein bei. Von den nun 100 000 Personen sind deren 20 000 in der Romandie wohnhaft. Exit brachte die heute breit vorhandenen Patientenverfügung im Jahre 1982 erstmals in die Schweiz. Seit November 2013 ist diese Verfügung mit dem Erwachsenenschutzrecht gesamtschweizerisch anerkannt. Bernhard Sutter zeigte auf, dass sich ein Prozent der Sterbenden für die Begleitung einer Sterbehilfsorganisation entscheiden. Das Begleiten ist nie einem Suizid gleichzusetzen, sondern bedeutet zumeist eine Beschleunigung des unabwendbaren Sterbeprozesses. Sutter erwähnte das Sterbefasten, wie es bei einigen Volksstämmen praktiziert wird.

Exit begleitet nur nach einem umfassenden Abklärungsprozess. Alle relevanten Punkte werden peinlichst genau eingehalten. Von rund 2500 Sterbewilligen nehmen noch rund 800 das Begleiten mit der erlösenden, selbsttätigen Einnahme des Sterbemedikaments in Anspruch. Auch Sutter zollte der Arbeit von Spitex, Altersheimpersonal, Spitalfachleuten, Pro Senectute und Begleitgruppen verdient hohe Anerkennung. Spitalseelsorger, Pfarrer Daniel Zubler, befasste sich in bedenkenswerten Beispielen mit dem eigentlichen Lebenswert, den er in Eigenwert und Nutzwert gliederte. Von schwerkranken Patienten im Spital vernehme er oft die Aussage, dass man nichts mehr wert sei, nichts mehr nütze. Die Gesellschaft, darüber ist sich Daniel Zubler im Klaren, tut sich zuweilen sehr schwer mit Hochaltrigen und dem Älterwerden, mit Dynamik, Leistung in diesem Lebenssegment. Es geht hin und wieder vergessen, dass jeder Mensch ein göttliches Geschöpf ist, mit seinem Leben berührt. Zubler befasste sich mit Personen, die in der Bibel vorkommen, die vom Tod ereilt wurden. Er schilderte diese Geschichten, die Formen des Todes. Die Bibel lehrt uns, dass Suizide menschliche Grenzfälle sind.

Podiumsdiskussion


Fragen und Ergänzungen zu Referaten und eigene Erfahrungen wurden in diesem Teil der Veranstaltung ausformuliert. Es seien herausgegriffen: Gehört Exit und deren Arbeit auch zu Palliativ Care? Wie steht es um den Eigenwert eines jeden Menschen? Müssen Patientenverfügungen (PV) nicht periodisch aktualisiert werden? Das Vorhandensein einer Verfügung ist für Ärzte und Angehörige ebenso sinnvoll wie hilfreich. Demenz ist ein starker Grund für die möglichst frühzeitige Erstellung einer PV. PV hat nichts mit Freitod-Begleitung zu tun. Das wachsende Verständnis in der Gesellschaft hat es mit sich gebracht, dass beispielsweise unheilbar Kranke nicht mehr eine Bürde für ihre Angehörigen sein wollen. Es ist angezeigt, den Tod nicht als isoliertes Ereignis zu betrachten. Begleiten der Angehörigen über den Tod hinaus ist zuweilen notwendig. Die Zustimmung für Sterbehilfen ist deutlich gewachsen. Es macht Sinn, wenn auch Jüngere eine PV verfassen. In der Schweiz ist passive Sterbehilfe erlaubt. Im Glarnerland kennt man Palliativ Care nicht, in anderen Kantonen ist man viel weiter in diesem Vernetzungsprozess. Ein glarnerisches Konzept werde demnächst ausgearbeitet. Einem Depressiven darf Exit nicht helfen. Beim Begleiten des Sterbeprozesses sind so viele Faktoren einzubeziehen, richtig und gesetzeskonform zu befolgen. Bernhard Sutter sprach offen zu geäusserten, verständlichen Befürchtungen, publizitätswirksamen, aber im Kern der Sache falschen Informationen.

Esther Girsberger würdigte die seriöse, intensive und sachliche Diskussion. Dass es mit der Technik nicht immer klappte, war zuweilen leicht ärgerlich. Störungen konnten recht rasch behoben werden. Zum abschliessenden Apéro – mit spürbar regem Gedankenaustausch – war ein Verweilen angeboten.